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Jörg Bente restauriert in Waltringhausen die italienische Orgel aus der Marktkirche Hannover

Wie im Märchen: Die Prinzessin wird gerettet

Waltringhausen (tes). "Das ist schon etwas ganz Besonderes", hat Jörg Bente seinen aktuellen Auftrag mit Vorher-Nachher-Bildern dokumentiert. Der Orgelbaumeister bearbeitet in seiner Werkstatt einen prominenten "Patienten": die liebevoll als "Prinzessin" bezeichnete italienische Orgel der Marktkirche Hannover.

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Ein wenig ist es so wie im Märchen. Prinzessinen müssen irgendwann einmal gerettet werden. So auch die aus der Marktkirche. Diese ist zwar nicht aus Fleisch und Blut, dafür aber gewichtige Realität. So ein Unikat erfordere eine spezielle Arbeitsweise, erklärt Jörg Bente: "Hier ist sehr sorgfältiges Arbeiten gefragt." Allein 275 Pfeifen müssen einzeln angelötet werden. Ein Kunstrestaurator aus Worpswede, Paul-Uwe Dietzsch, hatte zuvor das Gehäuse äußerlich wiederhergestellt. Seit April kümmern sich Bente und sein Team um die inneren Werte des imposanten Instruments. "Zuerst haben wir alle Pfeifen rausgenommen", berichtet der Meister. Tobias Rühl nahm sich der Holzpfeifen an und Klaus Wollert der Metallpfeifen, Eibo Hecker erledigt die Technik. Die Intonation übernimmt der Meister persönlich. Eine Besonderheit fällt ins Auge: "Die kurze Oktave", zeigt der Orgelbauer auf fehlende Tasten. "Das ist typisch für diese Zeit und diese Instrumente." Der Zustand sei insgesamt "überarbeitungsbedürftig", so Bente weiter, "leider ist nicht mehr alles original. Einige Pfeifen sind bereits ersetzt worden." Während der Arbeiten haben die Experten ein Geheimnis der "Prinzessin" aufgedeckt. Die Orgel war vor der Restaurierung vergoldet. Erst jetzt habe sich herausgestellt, dass die ursprüngliche Farbe silber war. Eine Rarität ist die Tastatur aus Buchsbaumholz. Zudem verfügt die Orgel über ein Gebläse. "Früher musste immer jemand die Balghebel bedienen", sagt Bente, während Geselle Rühl die Funktion demonstriert. Fachleute wissen eine weitere Stärke zu schätzen: Die Orgel ist mitteltönig gestimmt. "Das gibt dem Klang Farbigkeit. Die Töne klingen sehr rein, oder sind nicht mehr spielbar. Das hört man selten heutzutage", betont Bente. Wenn die Kirche zustimmt, könnte das historische Instrument bei seiner Rückkehr zusätzlich punkten: Die Orgelprofis überlegen, ob sie eine "Nachtigall" einbauen. Das ist eine in Wasser getauchte Pfeife, die durch Blubbern für akustische Effekte sorgt. "Eine Spielerei aus der Barockzeit", so Bente schmunzelnd. Ihm ist "in dem Alter und aus Italien" keine vergleichbare Orgel bekannt. "Die Inschrift ist kaum lesbar", vermisst er deutliche Hinweise auf den Erbauer. Auch der Wert der "Prinzessin" lasse sich kaum beziffern. Vorbildlich ist jedoch die Finanzierung der Restaurierung: Ein Ehepaar aus Hannover sponsert die Rettungsaktion. Bald ist das Werk vollendet - wenn der Sachverständigenausschuss die Arbeit abnimmt. Die Waltringhäuser Orgelbauer und der Organist der Marktkirche zelebrieren die Generalprobe mit einem Werkstatt-Konzert am 1. September. Ihren erstenöffentlichen Auftritt hat die restaurierte "Prinzessin" am 8. und 9. September in der Marktkirche. Nach einem Vortrag mit Führung durch Bente, Dietzsch und Professor Reinhard Menger um 16.30 Uhr zeigen international bekannte Musiker, was in der wiederbelebten Orgel steckt. Ein akustischer und optischer Leckerbissen: "Tu sei bella", zu deutsch "du bist schön", lautet der Titel des ersten Konzerts am Sonnabend um 18 Uhr mit Sopran Claudine Ansermet aus Mailand und Organist Pier Damiano Peretti (Vivenza/Hannover).




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