Zugmeldung: Zug Nummer 1439 in Hameln ab 10.35 Uhr“, sagt Martin Pfeiffer am Telefon. Sein Kollege am anderen Ende wiederholt die Meldung wortwörtlich und der Vorgang wird automatisch aufgezeichnet. Pfeiffer arbeitet seit 1997 als Fahrdienstleiter im Stellwerk am Hamelner Bahnhof. Von hier aus überwacht er den Zugverkehr rund um den Bahnhof. Rund 150 Züge pro Tag fahren hier in vier Richtungen durch.
Autor:
Catherine Holdefehr
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Zugmeldung: Zug Nummer 1439 in Hameln ab 10.35 Uhr“, sagt Martin Pfeiffer am Telefon. Sein Kollege am anderen Ende wiederholt die Meldung wortwörtlich und der Vorgang wird automatisch aufgezeichnet. Pfeiffer arbeitet seit 1997 als Fahrdienstleiter im Stellwerk am Hamelner Bahnhof. Von hier aus überwacht er den Zugverkehr rund um den Bahnhof. Rund 150 Züge pro Tag fahren hier in vier Richtungen durch.
Vor seinem Schreibtisch mit mehreren Monitoren steht eine halbrunde Stelltafel. Zwei breite Linien, rot und grün, und viele dünne graue Linien und Nummern sind aufgemalt. Auf der mehrere Quadratmeter großen Wand, dem sogenannten Gleisbild, leuchten immer wieder rote und grüne Lichter auf. „Das sind alle Gleise auf der kompletten Strecke, für die der Bahnhof Hameln zuständig ist“, erklärt Peter Jahn. Die rote Linie kennzeichnet den Streckenabschnitt der Linie Hannover/Paderborn, die grüne Löhne/Hildesheim.
Jahn ist als Bezirksleiter Betrieb und Notfallmanager für den Bezirk Hameln verantwortlich. Für 150 Kilometer Strecke, von Weetzen bis Steinheim und Weetzen/Bad Nenndorf und Hessisch Oldendorf bis Elze ist er für den Betrieb von elf Stellwerken und 56 Mitarbeiter zuständig. Der Eisenbahnverkehr wird von den Stellwerken aus gesteuert. Hier werden Signale und Weichen gestellt und der Zugverkehr überwacht.
Auf der elektrischen Stellwand kann Fahrdienstleiter Martin Pfeiffer den Weg der Züge rund um den Hamelner Bahnhof nachverfolgen. Fotos: ch
Foto: DIALOG
Eine der hellgrün beleuchteten Linien auf der Stelltafel wechselt auf rot. „Jetzt fährt der Zug hier auf dem Abschnitt ein“, erklärt Pfeiffer. Der sogenannte Blockabschnitt ist damit belegt. Was auf dem Gleisbild durch den Wechsel von grün auf rot angezeigt wird, ist auf der Strecke durch Signale gesichert. Wenn ein Zug in einen Abschnitt einfährt, stellt sich das Signal für den folgenden Zug auf „Halt“. In dem sogenannten Gleisbildstellwerk, einer Unterart des Relaisstellwerks, das in Hameln 1978 in Betrieb genommen wurde, funktioniert das elektrisch. Der Fahrdienstleiter muss keine Weichen oder Signale mehr umstellen, sondern überwacht nur das automatische Geschehen.
„Tüüüüüüüt“, ein akustisches Signal ertönt und auf der Stelltafel leuchtet eine Warnlampe auf. „Am BÜ (Bahnübergang) in Afferde gibt es eine Störung“, sagt Pfeiffer. Er greift zum Hörer. Jedem Triebfahrzeugführer, der den Bahnübergang passiert, muss er jetzt diesen Befehl diktieren, bis die Störung behoben ist. „Tüüt, tüüt“ – wieder meldet sich ein Signal. Das rote Licht, das den Weg der S-Bahn auf dem Gleisbild nachverfolgt, ist weitergewandert. Eine Lampe blinkt. Bahnübergang. Die Schranken schließen automatisch. Per Videoüberwachung kontrolliert Pfeiffer auf einem Bildschirm, der über der Stelltafel angebracht ist, dass sich kein Fahrzeug oder Personen zwischen den Schranken befinden.
Telefonate mit Triebfahrzeugführern und Fahrdienstleitern benachbarter Stellwerke, Eingaben in die automatische Zugmeldeanlage, die in einigen Bereichen die mündliche Zugmeldung ersetzt – alles wird dokumentiert und jede Bewegung der Züge innerhalb des Hamelner Bezirks beobachtet. Gemeinsam mit drei Kollegen teilt sich Pfeiffer den 24-Stunden-Dienst. „Auf die Dauer ist der Schichtdienst hart“, sagt er. Doch der Job macht ihm weiterhin Spaß. Man trage viel Verantwortung, das sei weiterhin das Besondere am Beruf. Wenn der diensthabende Fahrdienstleiter ausfällt, kommt es jedoch nicht automatisch zu einem Unfall. Das verhindert das Sicherheitssystem. Ohne sein Zutun tut sich einfach nichts. Kein Signal stellt sich auf Fahrt, wenn er nicht die Anweisung dafür gibt.
„Bei der Arbeit hat sich viel verändert“, sagt Peter Jahn. Bevor das Relaisstellwerk in Hameln 1978 in Betrieb genommen wurde, waren fünf mechanische Stellwerke für denselben Bereich zuständig. In Marienthal und am Wehl hätten sogar noch Schrankenwärter gesessen. Während früher der komplette Zugverkehr durch Fahrdienstleiter von Bahnhof zu Bahnhof geleitet wurde, sind die Zuständigkeitsbereiche heute viel größer. Von sieben Betriebszentralen aus wird der komplette Zugverkehr in Deutschland koordiniert. Die neuste Technik der Stellwerke sind Elektronische Stellwerke (ESTW). Hier läuft die Sicherung der Fahrstraßen über Computertechnik. Ein solches ESTW gibt es beispielsweise in Springe, nachdem im Jahr 2008 die Stellwerke in Bennigsen, Springe und Bad Münder aus Kostengründen geschlossen wurden. Vor Ort sitzt jetzt kein Mitarbeiter mehr. „Das wird elektronisch von der Betriebszentrale in Hannover aus gesteuert“, erklärt Jahn.
Doch auch die ganz alte Stellwerkstechnik, ein mechanisches Stellwerk, ist im Weserbergland noch in Betrieb. Das kleine Gebäude am Emmerthaler Bahnhof stammt aus dem Jahr 1935. Über eine Außentreppe, die ein paar Meter neben den Gleisen beginnt, ist der schmale Raum zu erreichen. Lange, mit Nummern versehene eiserne Hebel, Drähte, Umlaufrollen, ein großer Kasten mit Hebeln und Knöpfen, die sogenannte Blockeinrichtung, nehmen die Mitte des Raumes ein. Nur ein schmaler Gang bleibt auf beiden Seiten.
Wolfgang Stenzel blickt von seinem Schreibtisch am Fenster direkt auf die Gleise. Hier gibt es keine Stelltafel und keine videoüberwachte Schranke. Um sicherzugehen, dass Gleis oder Bahnübergang frei sind, schaut er einfach aus dem Fenster. „Zugmeldung“: Ebenso wie sein Hamelner Kollege, wird Stenzel entweder durch eine automatische Zugmeldeanlage oder per Anruf informiert, wenn ein Zug im Nachbarbahnhof startet und in seinen Bereich einfahren wird. Er greift zum Hörer und informiert den Weichenwärter, der am anderen Ende des Bahnhofes sitzt: „Bad Pyrmont ab.“ In acht Minuten etwa wird der Zug vor Ort eintreffen. Ein Blick aus dem Fenster, das Gleis ist frei, auch der Weichenwärter meldet „frei“. „Jetzt muss ich die Schrankenbäume schließen“, sagt er und kurbelt sie herunter. Was in Hameln elektrisch geschieht, funktioniert hier mit Hilfe von Hebeln und Drahtzugseilen, die über Umlaufrollen und Spannvorrichtungen laufen, mit Muskelkraft. Auf dem Boden neben den Gleisen sieht man die Drahtseile, die unter dem Stellwerk verschwinden. Im Spannwerksraum unter dem Stellwerk werden die Drahtzugleitungen mit Spanngewichten straff gespannt und führen dann durch die Decke bis zu den Signal-und Weichenhebeln. Routiniert legt Stenzel den langen Hebel für die blau gekennzeichnete Weiche, legt an der Blockeinrichtung die Fahrstraße fest und verriegelt sie. Erst dann, nachdem die Fahrstraße elektrisch verriegelt und festgestellt ist, kann er den rot gekennzeichneten Hebel für das Signal umlegen. Freie Fahrt, es kann weitergehen.
Wer steuert eigentlich einen Zug? Der Lokomotivführer, hat man bei Jim Knopf gelernt. Aber nicht die „Triebfahrzeugführer“, wie sie offiziell heißen, entscheiden, wohin die Reise geht. Die Macht über Strecken, Signale und Weichen liegt außerhalb – beim Fahrdienstleiter.