Auf dem Bückeberg entstanden nach Kriegsende und während der Berlin-Blockade Funkstationen
"Unterm Dach wurde der Russe abgehört"
Obernkirchen (sig).
Frisch entlassen aus englischer Kriegsgefangenschaft, abgemagert und desillusioniert - so kam Reinhard Walter 1945 nach Hause zu seiner Familie. Und was musste er dort in den vorher von seiner Familie benutzten Räumen erleben: Die Engländer waren schon wieder da. Sie hatten eine Anzahl Räume beschlagnahmt und sich dort auf Jahre hinaus eingerichtet, um den Funkverkehr jener Russen abzuhören, mit denen man kurz vorher Deutschland bezwungen hatte.
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"Das muss für ihn ein komisches Gefühl gewesen sein, denn er war sicherlich froh, alles hinter sich zu haben - und dann hatte ihn (fast) alles wieder eingeholt", meinte der inzwischen auch bereits 76-jährige Sohn Fritz im Gespräch mit unserer Zeitung. Dazu kam noch, dass die Ehefrau des Heimkehrers für die Besatzer kochte und das ganze Gasthaus zur Soldatenmesse umfunktioniert werden musste.
An dieses Geschehen erinnerte sich der jetzt in Stadthagen wohnende Senior kürzlich beim Zusammentreffen mit ehemaligen Angehörigen der Royal-Air-Force, die ein Jahrzehnt in Bad Eilsen und sogar bis 1958 auch im Raum Obernkirchen stationiert waren.
Fritz Walter wusste noch, dass sowohl im zum Familienbesitz gehörenden Wohn- und Gasthaus Funk- und Abhöranlagen stationiert waren als auch im Verwaltungsgebäude der früheren Sandsteinbrüche. Schließlich wurde unweit davon entfernt sogar zusätzlich aus Sandstein ein Turm gemauert, der noch heute steht und in dem derzeit ein Funkamateur seinen Sitz hat.
Ursprünglich waren überwiegend deutsche Geräte im Einsatz, bis ein gewisser Eric George Ackermann aus Österreich 1946 aus Österreich mit angeblich 70 Lastwagen neue Radar-, Peil- Funkanlagen aus Österreich auf den Bückeberg brachte und dafür sorgte, dass die deutschen Geräte wieder abgebaut wurden. Immerhin halfen aber deutsche Techniker beim Einrichten der neuen Stationen auf dem Bückeberg mit. Ackermann fungierte später als Kommandeur für den Raum Obernkirchen.
Fritz Walter konnte sich auch noch daran erinnern, dass von den Engländern auf dem Bückeberg bis zu 60 Meter hohe Funkmasten errichtet worden sind. Sohn Stephan: "Das Gelände war hier ideal für diese Zwecke, denn der Bückeberg ist der erste Höhenzug, der sich aus der niedersächsischen Tiefebene erhebt, und er liegt nach drei Seiten hin offen."
Während der Berlin-Blockade gab es von hier aus laufenden Kontakt zum Berliner Militärflughafen Gatow, wo eine ähnliche Funkanlage stand. Das lag auf der Hand, denn auch von Achum aus starteten damals die so genannten Rosinenbomber, die das Überleben von Westberlin sicherten.
Zur Zeit des "Kalten Krieges" wurde viel gefunkt und abgehört. "Unter dem Dach unseres Gasthauses wurden russische Funksprüche mitgeschnitten und abgefangen", war Fritz Walter überzeugt. Es habe sogar Funkkontakt bis zum Irak hin gegeben.
Für den 76-Jährigen bekam jene Phase eine besondere Bedeutung. Zum einen lernte er in kurzer Zeit die englische Sprache. Das führte dazu, dass er im Gymnasium häufiger rezitieren und vorsprechen musste. Aus dieser Zeit resultierten auch zahlreiche Bekanntschaften. In der Folgezeit besuchten etliche Angehörige der englischen Armee aus Bückeburg und Rinteln immer wieder gern das Gasthaus Walter zum freundschaftlichen Gedankenaustausch.
Deshalb bereitet Fritz Walter das inzwischen alljährliche Wiedersehen rund um Bad Eilsen und Obernkirchen viel Freude.
Drei Generationen vor dem Gasthaus Walter, das heute nicht mehr zum Familienbesitz gehört: Dr. Stephan Walter mit Tochter Victoria und seinem Vater Fritz. Fotos: sig