Claus Delius betreibt einen Friedhof für Haustiere
„Übung im dankbaren Loslassen“
Als „Mo“ beerdigt wurde, fand sich eine große Abschiedsgesellschaft ein auf dem idyllischen Hamelner Friedhof am Waldrand. Mehr als 20 Trauergäste, Menschen und Hunde. Mo war ein Mischlingshund, langjähriger und beliebter Bewohner des unmittelbar benachbarten Tierheims, und niemand hatte es übers Herz bringen können, ihn umstandslos der „Tierkörperverwertung“ zu übergeben. 140 Grabstellen hat Tierfriedhofsbetreiber Claus Delius in den letzten vier Jahren angelegt, manche winzig und nur mit einer Nummer versehen, andere richtiggehend pompös, nicht von einem Menschengrab zu unterscheiden.
Als „Mo“ beerdigt wurde, fand sich eine große Abschiedsgesellschaft ein auf dem idyllischen Hamelner Friedhof am Waldrand. Mehr als 20 Trauergäste, Menschen und Hunde. Mo war ein Mischlingshund, langjähriger und beliebter Bewohner des unmittelbar benachbarten Tierheims, und niemand hatte es übers Herz bringen können, ihn umstandslos der „Tierkörperverwertung“ zu übergeben. 140 Grabstellen hat Tierfriedhofsbetreiber Claus Delius in den letzten vier Jahren angelegt, manche winzig und nur mit einer Nummer versehen, andere richtiggehend pompös, nicht von einem Menschengrab zu unterscheiden.
Die wenigsten der über 23 Millionen Haustiere in Deutschland allerdings – mehr als acht Millionen davon sind Katzen, fast fünfeinhalb Millionen Hunde – werden auf einem der bundesweit etwa 120 Tierfriedhöfe bestattet. „Ich hätte ja gedacht, dass die Nachfrage viel größer sein würde“, sagt Claus Delius, der gelernter Töpfer ist, zum Gartenbauer umschulte und dann, als der geliebte Hund der Mutter starb, mit ihr zusammen auf die Idee kam, einen Tierfriedhof zu eröffnen. „Den eigenen Hund hatten wir im Garten begraben, aber viele Menschen haben dazu gar nicht die Möglichkeit. Und wenn man so liest, was in den Tierkörperbeseitigungsanstalten so alles passiert…“
Ja, die amtliche Tierkörperbeseitigung ist nichts für zarte Gemüter, das bestätigt Dr. Wilhelm Brase, seit 20 Jahren Leiter des Schaumburger Veterinäramts mit Sitz in Bückeburg. „Ich kann verstehen, dass der Gedanke, sich vielleicht mit einer Seife zu waschen, die Fett des eigenen Hundes enthält, so manchen schaudern lässt“, sagt er. Kleinere Tiere wie Hamster, Katzen oder Vögel darf man ja recht umstandslos vergraben. Bei größeren Haustieren – ganz genaue Vorschriften gibt es da nicht – sollte man sich eine Erlaubnis vom Veterinäramt holen, wenn man ein totes Tier nicht, wie es meistens üblich ist, beim Tierarzt zurücklässt, wo es dann von beauftragten Mitarbeitern abgeholt und zur Tierkörpersammelstelle in Steyerberg gebracht wird. „Wir finden eigentlich immer eine bürgerfreundliche Lösung“, meint Brase.
So kann das Grab eines Nymphensittichs aussehen – mit Engeln, Blumen, Kerzen und Inschriften. Wal (2)
Foto: DIALOG
„Eigentlich“ immer – denn es kann schon echte Problemfälle geben, wie etwa die ziemlich heftige Auseinandersetzung mit einer älteren Dame, deren zwei Schafe altersbedingt gestorben waren und die sie auf keinem Fall in die Tierkörperverwertung geben, sondern auf einem Tierfriedhof bei Hannover beerdigen lassen wollte. „Da war nichts zu machen“, so Dr. Brase. „Schafe, ganz gleich, ob man sie wie Haustiere gehalten hat, gehören zu den landwirtschaftlichen Nutztieren, und die müssen ausnahmslos über die Verwertungsanlagen entsorgt werden.“ Die Frau sei ganz verzweifelt und dann auch sehr wütend gewesen. „Aber die Gesetzeslage ließ uns keine andere Wahl.“
Tote Tierkörper, die nicht als Risikoabfall entsorgt werden müssen, werden im Zuge der Verwertung gehäutet, zerkleinert, sterilisiert und zu einem Fleischbrei verarbeitet, den man dann entfettet (das Fett findet unter anderem Verwendung in der Chemieindustrie) trocknet und zu Tiermehl verarbeitet, das entweder der Energiegewinnung oder als Dünger dient. Wer sein Haustier nicht diesem Verwertungsverfahren übergeben und stattdessen auf dem eigenen Grundstück begraben will, muss sich dabei an Regeln halten: Das Grundstück darf nicht im Wasserschutzgebiet liegen, das Grab hat mindestens ein bis zwei Meter von öffentlichen Wegen entfernt und mindestens 50 Zentimeter tief zu sein. Und selbstverständlich darf das Tier nicht an einer meldepflichtigen Krankheit gestorben sein.
Auch Delius hatte strenge Vorgaben zu beachten, bevor er seinen Tierfriedhof eröffnen durfte. Über mehrere Jahre zogen sich die Genehmigungsverfahren hin, bei denen vor allem die Naturschutzbehörden mitredeten, bis er schließlich das gepachtete Grundstück neben dem Tierheim an der Wehler Marsch zum Friedhof umgestalten durfte. Eine kleine Hütte mit Arbeitsgerät steht dort. „Nein, nein, das ist keine Kapelle oder so“, meint er lachend. „Ich bin kein Bestattungsredner, das verlangt auch nie jemand. Ich bin in erster Linie der Friedhofswärter.“ Er grabe das Loch für die Tiere, die entweder gebracht werden oder die er abholt, und wenn es gewünscht ist, legt er persönlich das in eine verrottbare Decke gewickelte Tier ins Grab. „Viele mögen ihren toten ehemaligen Gefährten nicht berühren“, sagt er. Bei der letzten Beerdigung war er ganz allein, weil die Hundebesitzerin zu traurig war, um dabei zu sein.
„Meistens nehmen die Tierbesitzer Abschied, nachdem ich mich diskret entfernt habe“, erzählt er. „Manche weinen, manche scherzen sogar, andere zünden Kerzen an, und Blumenschmuck gibt es fast immer, auch bei den anonymen Gräbern habe ich nichts dagegen.“
Zu ihm kommen nicht nur Menschen, die kein eigenes Grundstück besitzen. „Ich höre oft, dass Leute kein Grab im Garten haben wollen, um nicht täglich an den vermissten Freund erinnert zu werden.“ Einen Sarg benutze fast niemand. „Ich rate auch eher davon ab“, sagt er. „Zwar könnte ich ein Geschäft damit machen, aber die Särge, die ich bestellen kann, sind wirklich unverschämt teuer.“
Ab und zu überführt er ein Haustier ins Kleintierkrematorium. Je nach Körpergewicht und ob es sich um eine Sammel- oder Einzelverbrennung handelt, kosten dort die Einäscherung und Beisetzung entweder durch Zerstreuung der Asche oder in einer Urne zwischen etwa 100 bis 400 Euro. Für die Bestattung auf dem Hamelner Tierfriedhof hat man ähnliche Preise zu zahlen: Beerdigung und drei Jahre Pacht schlagen mit Gesamtkosten zwischen 150 und 380 Euro zu Buche. Die Entsorgung eines toten Tierkörpers durch die kommunale Tierkörperbeseitigung kostet normalerweise um die 30 Euro, plus 20 Euro für eine eventuelle Abholung.
Ist ein Hund, eine Katze, der Hamster, Sittich oder das Meerschweinchen unbeerdigt aus der Welt verschwunden, kann man ihnen trotzdem ein öffentliches Denkmal setzen, auf einem der Online-Tierfriedhöfe nämlich, die etwas durchaus Anrührendes haben. Eines der entsprechenden Portale bietet das Bild einer stillen Landschaft an einem See, wo lauter kleine Grabsteine verteilt sind, die man anklicken kann, um dann Inschriften zu finden wie: „Danke für 18 Jahre Liebe, die du uns gegeben hast“, oder: „Wir werden dich immer bei uns haben“. Virtuelle Kerzen lassen sich dort entzünden, und Freunde können sich in eine Art Kondolenzbuch eintragen.
Vielleicht kommt jemand in seiner Trauer um sein Tier auf die Idee, er könne einen Präparator finden, der ihm ein naturgetreues Standbild von Hund oder Katze anfertigt. „Niemals“, sagt da im entschiedenen Ton der Präparator im Ruhestand Eckhard Bertram aus Hessisch Oldendorf. Zwar hat er hauptberuflich in der Pathologie gearbeitet und dort menschliche Körperteile präpariert und einbalsamiert, doch arbeitete er nebenbei auch als Tierpräparator. „Beim Präparieren von Tieren geht es um Wildtiere, nicht darum, einen Pudel auszustopfen und neben den Kamin zu stellen.“ Das widerspräche dem Sinn des Handwerks, welches naturwissenschaftlichen Zwecken zu dienen habe. Tierpräparator Carsten Grobeck aus dem Auetal sieht es nicht anders: „Ein Haustier für persönliche Zwecke zu präparieren, das lässt sich mit unserem Ehrenkodex nicht vereinbaren, das ist einfach geschmack- und respektlos.“ Außerdem könnte man dem eigentlichen Wunsch der Besitzer sowieso nicht entsprechen: „Es ist fast unmöglich, ein Tier so zu präparieren, dass es seinen individuellen Gesichtsausdruck behält.“
Manchem mag es angesichts des zwangsläufig hinzunehmenden Todes eines Haustieres zweifelhaft erscheinen, ob man sich überhaupt auf eine enge Freundschaft mit einem Tier einlassen soll. Claus Delius ist da anderer Meinung. „Den Tod eines geliebten Tieres mitzuerleben ist auch eine Übung im dankbaren Loslassenkönnen“, sagt er. „Die meisten Tiere werden durch den Tod ja von Krankheit oder gebrechlichem Alter erlöst.“ Ihn selbst bedrücke der Umgang mit den verstorbenen Tieren nicht. „Ich empfinde Fürsorge und generelle Zuneigung zu ihnen, wenn ich sie so vor mir habe“, sagt er. „Außerdem bin ich Buddhist, ich glaube an die Wiedergeburt und daran, dass wir alle in einem Kreislauf miteinander verbunden sind.“ Das macht es sicherlich etwas leichter.
Diese Grabplatte spiegelt die Trauer um den geliebten Hund wider.