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Stephan Steding aus Schaumburg zählt bei den Speerwerfern zu den Medaillenanwärtern der WM

Ticket für Osaka in der Tasche, Peking im Blick

Schaumburg/Hannover. Der Mann hat einen Händedruck, damit könnte er Kokusnüsse knacken. Die meisten Gesprächspartner müssen zu ihm aufschauen: 2,02 Meter bei 106 Kilo Gewicht, das sind optimale Maße für einen Basketballer. Basketball spielt Stephan Steding aus Schaumburg auch, doch mehr aus Spaß. Wird es ernst, greift er zum Speer.

Autor:

Hans Weimann
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Bis zum Deutschen Meister hat er es in dieser Disziplin gebracht, vor kurzem in Erfurt, im fünften Durchgang mit 80,44 Metern. Damit ist ihm die Fahrkarte nach Osaka (Japan) zu den Leichtathletikweltmeisterschaft vom 25. August bis 2. September sicher. Das passt sogar noch gut in die Semesterferien. Steding studiert in Hannover Wirtschaftswissenschaften, wenn er nicht gerade in der AWD-Arena trainiert. Und das tut er oft, denn die Olympischen Spiele in Peking 2008 stehen bei ihm im Terminkalender wie 2009 die Leichtathletik-Weltmeisterschaften im eigenen Land, in Berlin. Auslandserfahrung hat Steding bereits. Im Vorjahr war er unter anderem in Korea bei Wettbewerben dabei. Wie kommt man zum Speerwerfen? In der Schule in Rinteln habe er zunächst Fußball gespielt, erzählt Steding, "aber das war nicht mein Ding". Bei einem Sportfest auf dem Bückeberg habe er sein Talent und den Spaß an der Leichtathletik entdeckt, und das schnell auf hohem Niveau. Was zwangsläufig einen Wechsel zum VfL in Hameln, später zu Hannover 96, bedingte - einfach weil dort die Trainingsbedingungen optimal sind. Im Hochsprung, Weitsprung und Hürdenlauf sei er als Zweimetermann nicht schlecht, "doch was ich einfach am besten kann, ist werfen - egal was." Steding schleudert den Diskus, stößt die Kugel, beides mit beachtlichen Weiten, doch seine Königsdisziplin ist der Speer: 800 Gramm leicht, aus Alu gefertigt, um die 2,60 Meter lang,auseinander geschraubt und in einem speziellen Köcher verstaut, passt das Sportgerät sogar in Stedings Golf. Für Spitzensportler fertigen drei Firmen dieses Sportgerät, Steding bevorzugt Nemeth-Speere zum Stückpreis von 131 Euro. Auch das weitere Equipment eines Speerwerfers ist sehr übersichtlich: Spezialschuhe mit Spikes (damit man nicht rutscht), Turnhose und Hemd (das Bundestrikot hat Steding in der Trainingstasche) und Trainingsanzüge - mehr braucht der 25-Jährige nicht. Speerwerfen ist ein gefährlicher Sport, manchmal für Zuschauer - in Rom wurde ein Weitspringer von dem verirrten Speer eines finnischen Werfers verletzt - vor allem aber für den Sportler selbst. Denn der Bewegungsablauf ist komplizert und technisch anspruchsvoll. Wie weit ein Speerwerfer sprintet, bevor er wirft, bleibt jedem selbst überlassen. Steding bevorzugt 25 Meter als Anlauf. Dann stoppt der linke Fuß und die Sprungkraft muss in Wurfkraft umgesetzt werden. Steding startet seinen Speer mit über 100 Stundenkilometern. Da genügt eine falsche Bewegung und Muskeln oder Sehnen werden verletzt. Die Liste lädierter Speerwerfer ist lang: Die Spitzensportler Peter Esenwein wie Mark Frank mussten ebenso pausieren wie Weltmeisterin Osleidys Menendez aus Kuba. Auch Steding weiß es inzwischen aus eigener leidvoller Erfahrung: Eine Schulterverletzung und eine Blockade in der Brustwirbelsäule bremsten ihn monatelang. Doch inzwischen sei er wieder topfit. Allesüber 80 Meter ist super, 82,46 Meter sind Stedings Bestleistung. Der Weltrekord liegt bei 98,48 Meter, gehalten vom Tschechen Jan Zelezny. Und Speerwerfen ist Nervensache, denn ob ein Athlet eine Top-Weite erzielt, entscheidet sich im Bruchteil einer Sekunde, Fehler kann man nicht - wie bei anderen Sportarten - wieder wettmachen. Und das sei mit Stedings Stärke, schreiben Fachjournalisten, dass er auch im Wettkampf die Nerven behält. Was er selbst bestätigt: "Unter Druck werde ich oft besser." Speerwerfer sind, gemessen am Trainingspensum, Allroundsportler. "Den ganzen Tag werfen", das bringt nichts. So stehen alle Disziplinen der Leichtathletik wie Turnen und Krafttraining auf Stedings Trainingsplan. Speerwerfer zählen im Sport nicht zu den Großverdienern wie Sprinter oder gar Fußballer - im Gegenteil. Zurzeit werde er von Adidas unterstützt, doch ein paar Sponsoren mehr wären schon hilfreich, verrät der Schaumburger zum Schluss des Gespräches. Jetzt drücken ihm alle Fans die Daumen, seine Freundin,die selbst Leichtathletik betreibt, über 100 und 200 Meter läuft und mit ihrer Staffel die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat (mehr will Steding partout nicht verraten) sowieso. Dazu die Familie - logisch. Die wird in Osaka nicht dabei sein, aber wenn alles klappt in Peking. Vielleicht hilft ein Talisman oder ein Ritual, wie da manche Sportler machen, die erst den rechten Schuh anziehen. Er sei nicht abergläubisch, lacht Steding, aber "wenn mich das einen Meter weiter bringt, würde ich es garantiert machen!"

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Schuhwechsel: Speerwerfer brauchen Spikes an den Spezialschuhen, um nicht wegzurutschen.



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