Wie unterschiedlich die Kulturen sind, wie viel Gemeinsamkeiten es aber trotzdem gibt, haben Lehrer wie Schüler des Ernestinum hautnah erlebt, weil die chinesischen Gäste nicht in Hotels, sondern in Gastfamilien untergebracht waren.
So konnte der Gast von Schulleiter Reinhold Lüthen zunächst mit Frühstücksbrötchen, Butter und Käse wenig anfangen - er kochte sich zum Frühstück lieber eine Nudelsuppe. Dafür waren die Chinesen vom deutschen Bier, besonders vom Weizenbier, völlig hingerissen. Ralf Kirstan: "Da war eine Kiste schnell leer."
Und man habeüber die Reaktion der Gäste das Selbstverständliche im eigenen Land überraschend anders sehen gelernt: Als leer und wenig bevölkert hätten die Gäste Deutschland empfunden - Lüthen: "Wir haben eher den Eindruck, unser Land ist dicht besiedelt." Andererseits sei die chinesische Sichtweise durchaus nachvollziehbar, wenn man aus einer 30-Millionen-Stadt komme.
Bei Regen seien die Chinesen fast panisch geworden, bis sie erlebt hätten, was da vom Himmel fällt, ist klares Wasser, kein Dreck, kein aggressiver, saurer Niederschlag. Überrascht habe die Gäste auch die saubere Luft und dass man hier selbst in Großstädten wie Hannover noch die Sonne sehen könne - eben weil es kaum Smog gibt.
Ein chinesischer Lehrer sei von der Natur hier so begeistert gewesen, schilderte Kirstan, dass er bei einer Rast mit dem Bus "in ein Weizenfeld gelaufen ist, um den Duft derÄhren zu riechen".
Überhaupt seien die Chinesen angetan gewesen gerade von dem was uns alltäglich umgibt: Der "märchenhaften" Altstadt von Rinteln und Hameln, den Wäldern und dass man hier in Häusern mit Gärten lebt - die chinesischen Gäste kannten nur das Wohnen in Hochhäusern.
Auch demokratische Gepflogenheiten hätten wohl einen tiefen Eindruck hinterlassen, glauben Lüthen und Kirstan: "Die waren völlig baff bei einem Besuch in Berlin, dass jeder normaler Bürger auf der Zuhörertribüne im Parlament Platz nehmen und während einer Plenarsitzung der Debatte zuhören könne - sogar wenn Minister sprechen."
Ungewohnt auch die Freiheit, die deutsche Schüler genießen: "Als wir uns bei dem Besuch in Hannover getrennt und einfach einen Treffpunkt nach drei Stunden ausgemacht haben - so was kannten die chinesischen Schüler nicht. Die sind immer unter Aufsicht." Und noch eine Überraschung: Hannover und Hameln fanden die Chinesen viel schöner als Paris, vor allem wegen der "Sicherheitslage". Was sich dahinter verbarg, das erschloss sich Kirstan wie Lüthen erst viel später: Ein chinesischer Lehrer war in der Pariser Metro bestohlen worden.
Kaum eine Vorstellung mache man sich von dem ungeheuren Druck, unter dem chinesische Schüler stehen, schilderte Lüthen: "Die wussten, als sie aus dem Flugzeug gestiegen sind, am nächsten Tag schreiben wir eine Klausur - und das war ein Sonntag."
Lüthen ist überzeugt, auch die Chinareise wird diesmal für die Schüler des Ernestinums viele Überraschungen bringen - allein die Schule in Chongqing mit 6000 Schülern: "Das wird sicher eine ganz besondere Erfahrung."