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WeilÄrzte zu teure und zu viele Medikamente verschrieben haben: Rückforderungen von 12 000 bis 100 000 Euro

Regress ist für manche Arztpraxis existenzbedrohend

Rinteln (wm/mari). Weil sie ihren Patienten in den letzten drei Jahren zu viele Medikamente verschrieben haben, sollen jetzt mehrere RintelnerÄrzte Summen zwischen rund 12 000 und 100 000 Euro zurückzahlen. Die Gesamtsumme der Regressforderungen an Ärzte aus Rinteln, Obernkirchen, Stadthagen und Bückeburg bezifferte Uwe Köster, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachen (KVN) auf die exorbitante Summe von 1,2 Millionen Euro. Würden diese Beträge tatsächlich einzogen, bedeutete dies das "Aus" für manche Praxis. Köster geht davon aus, dass nicht in allen Fällen und schon gar nicht in den geforderten Höhen gezahlt werden muss. Und das hat mehrere Gründe: Oft sei die besondere Klientel der Ärzte wie Schmerz-, Krebs- und Dialysepatienten - alles Patienten, die teure Medikamente brauchen - nicht ausreichend berücksichtigt worden. Patienten, die künstlich ernährt werden müssten, seien in dem System "nicht einmal vorgesehen". Und es gebe Dokumentationsfehler, wenn beispielsweise eine Salbe für 49 Euro mit 490 Euro in Rechnung gestellt wurde. Seine Empfehlung: Die Ärzte sollen in dem "Richtgrößen-Prüfverfahren" Widerspruch einlegen, denn es komme immer auf den Einzelfall an.

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Für den Rintelner Arzt Peter Oehlgrien ist das ein Stück aus dem Tollhaus: "Wir sitzen zwischen zwei Fronten." Versorge er seine Patienten nicht optimal, müsse er mit Klagen rechnen, verhalte er sich gegenüber den Patienten verantwortungsbewusst, bekomme er Ärger mit den Kassen. Die Empfehlung Kösters tröstet ihn da wenig: 30 Stunden habe er gebraucht, um alle Unterlagen zu sichten und den Widerspruch zu formulieren. Notfalls werde er - wie andere Kollegen - vor das Sozialgericht ziehen. Dr. med. Renate Boelitz schilderte, man habe "viele hundert Seiten" verfasst, um unter anderem darzulegen, warum ein Patient nach einer Transplantation besondere Medikamente braucht und dass es in Rinteln keinen Onkologen gibt und deshalb Patienten zu Allgemeinmedizinern gehen. Was sie besondersärgert: "Wir selber produzieren doch die Kosten nicht - aber wir müssen die Verantwortung übernehmen." Dr. Walter Steuber kommentierte mit schwarzem Humor: Monty Python, bekannt für seine skurrilen Filme, hätte sich das Szenario nicht besser ausdenken können. Ein Arzt werde für etwas haftbar gemacht, das er nicht verursacht hat, er müsse sich verantworten für die Verschreibung eines Medikaments, an dem er weder etwas verdient (das tun Apotheker und Pharmaindustrie), noch das er selber einnimmt. Darüber hinaus müsse er sich mit dem Versicherten über eine Leistung streiten, die nicht er als Arzt, sondern dessen Versicherung zu erbringen habe. KVN-Sprecher Köster kennt die Probleme: "Das ist so, als wenn die Feuerwehr ihr Löschwasser selber bezahlen müsste." Köster weiß, dass diese Situation Ärzten schlaflose Nächte beschert, wenn sie 36 000 Rezepteüberprüfen müssen, und er sieht hier einen grundsätzlichen Fehler im System, der behoben werden müsse. Die Krankenkassenverbände seien aufgefordert, endlich ihr Gesamtbudget an reale Werte anzupassen.




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