Grundstücke der Stadtwerke und AVA-Gruppe nicht in voller Größe erfasst
Protest gegen Anliegerbeiträge:
"Wer steigt denn da noch durch?"
Rinteln (fpf).
Ungerechtigkeiten mag Ursula Reich nicht leiden - schon gar nicht, wenn es dabei an den eigenen Geldbeutel geht. Vor knapp zwei Jahren hat die Stadt Rinteln den Bahnhofsweg ausgebaut. Auf der Grundlage einer städtischen Satzung wurde den Anliegern der Straße nun eine Beteiligung an den straßenbaulichen Maßnahmen aufgebürdet. Das ist allgemein üblich. Doch über verschiedene Klauseln des Reglements kann die Rentnerin, deren Sohn ein Elektronikgeschäft im Bahnhofsweg betreibt, nur mit dem Kopf schütteln.
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"Ich möchte mal wissen, welcher normale Bürger bei diesem Schreiben auf Anhieb durchblickt", klagt Ursula Reich. Die Mutter von Peter Reich, Inhaber des Elektronikhandels "Fernseh-Reich" im Bahnhofsweg, ärgert sich über die seit 1987 geltende Straßenausbaubeitragssatzung, rechtliche Basis für eine anteilsmäßige Kostenbeteiligung bei Straßenbaumaßnahmen.
Vor gut zwei Wochen erhielt Peter Reich einen Brief von der Stadt, in dem er zu einer Zahlung von 749,09 Euro aufgefordert wird. Bei genauerer Betrachtung der Mitteilung fiel Familie Reich auf, dass die festgelegten 15 Prozent des Gesamtaufwands, nämlich 44
093,51, nicht wie angenommen durch die Gesamtsumme der Grundstücksflächen im Bahnhofsweg geteilt wurde, sondern lediglich durch die Summe der so genannten "gewogenen" Flächen. "Gewogene" Flächen bezeichnen in diesem Zusammenhang die beitragspflichtigen Areale.
Bei der Kalkulation hat die Stadt Rinteln im Sinne der geltenden Satzung nur die ersten 50 Meter in der Tiefe eines Terrains berechnet. Ein Ausmaß, welches das Grundstück von Peter Reich und anderen Anwohnern bei weitem nicht überschreitet. Sehr wohl jedoch die Anwesen der Stadtwerke und der AVA-Gruppe. "Dadurch, dass die Stadt die umzulegende Summe nicht durch die Komplettfläche von 46.991 Quadratmeter, sondern bloß durch die ´gewogene´ Fläche von 29.914,4 teilt, entsteht ein Quadratmeterpreis von 1,474 Euro", erklärt Ursula Reich. Auf diese Weise werde den Anliegern nahezu 50 Prozent mehr berechnet. "Wer ein großes Grundstück hat, der soll in diesen Angelegenheiten auch entsprechend bezahlen", meint die Rintelnerin. Selbstverständlich habe sie mit den handelnden Personen kontaktiert und sie auf die "unfaire Berechnung" angesprochen. Fundierte Auskunft hätte ihr jedoch niemand geben können.
Von einem offiziellen Widerspruch sah die Rentnerin ab, da seit Jahren die landesweite Regel gilt, mit dem jeweiligen Anliegen direkt vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. "Und Sie können sich vorstellen, wie lange dieser Entscheidungsprozess dauern würde", merkt Ursula Reich an. Jörg Schröder gehört im "Fall Bahnhofsweg" zu den handelnden Personen. Rintelns erster Stadtrat tritt dem Vorwurf der unfairen Kalkulation mit dem Verweis auf die Straßenausbaubeitragssatzung entgegen: "Die Direktive hat sich über Jahrzehnte bewährt". Erklärend fügt Schröder hinzu, dass das Statut in solchen Angelegenheiten "einer gewissen Nivellierung" diene. "Dabei spielt es keine Rolle, dass die Stadtwerke und die AVA-Gruppe in der Tiefe größere Grundstücke besitzen, als der Sohn von Ursula Reich!", verdeutlicht Schröder. Im Sinne der Satzung gebe es dabei "keine Einzelfallgerechtigkeit". Auch die von den Anliegern des Bahnhofwegs kritisierten 15 Prozent - zu zahlen bei Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr - verteidigte Schröder. Die Zahl sei im Sinne der Satzung"absolut angemessen": "In ähnlichen Rintelner Fällen", allerdings in Straßen, die überwiegend vom Anliegerverkehr genutzt werden, "sind sogar bis zu 25 Prozent Beitragszahlung erhoben und bezahlt worden", so der Stadtrat. Überdies sei die Regel noch moderat, "wenn Sie sich einmal in den Nachbargemeinden umsehen."