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Die ersten Folgen des demografischen Wandels lassen sich in Aerzen und Emmerthal schon beobachten

Prognose gilt nicht als ferne Zukunftsmusik

Aerzen/Emmerthal (cb). Die abstrakten Zahlen, die für die Gemeinden Emmerthal und Aerzen innerhalb der nächsten knapp zwei Jahrzehnte einen erheblichen Bevölkerungsrückgang vorhersagen, sind für die beiden Bürgermeister schon jetzt an der aktuellen Entwicklung ablesbar. Die Prognose als Zukunftsmusik? Weit gefehlt. Für den Emmerthaler Bürgermeister Andreas Grossmann dienen die jüngsten Geburtenzahlen schon jetzt neben pädagogischen Aspekten als Grundlage für die Bildungsreform, nach der einige Kindertagesstätten und Grundschulen unter einem Dach zusammengefasst werden sollen. „Das ist schon dramatisch“, sagt er über den „unaufhaltsamen Trend“.

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Aerzen/Emmerthal (cb). Die abstrakten Zahlen, die für die Gemeinden Emmerthal und Aerzen innerhalb der nächsten knapp zwei Jahrzehnte einen erheblichen Bevölkerungsrückgang vorhersagen, sind für die beiden Bürgermeister schon jetzt an der aktuellen Entwicklung ablesbar. Die Prognose als Zukunftsmusik? Weit gefehlt. Für den Emmerthaler Bürgermeister Andreas Grossmann dienen die jüngsten Geburtenzahlen schon jetzt neben pädagogischen Aspekten als Grundlage für die Bildungsreform, nach der einige Kindertagesstätten und Grundschulen unter einem Dach zusammengefasst werden sollen. „Das ist schon dramatisch“, sagt er über den „unaufhaltsamen Trend“. 2010 geht die Zahl der voraussichtlichen Anmeldungen noch einmal auf 107 Schulkinder hoch, um dann in den Folgejahren zwischen 76 und 87 zu liegen – insgesamt ist die Zahl der Geburten seit 1990 um etwa 45 Prozent gesunken. Aerzens Bürgermeister Bernhard Wagner sieht die Entwicklung auch aus Sicht als früherer Schulleiter ebenfalls mit Sorge, verweist aber auf einen anderen Indikator für den demografischen Wandel: die Nachfrage nach Bauplätzen. Kaum war in früheren Jahren ein neues Baugebiet ausgewiesen worden, waren die Grundstücke für die Eigenheime verkauft. Und jetzt? Ausgerechnet in bester Lage im Kernort verläuft die Vermarktung mehr als schleppend, verteilen sich nur einige Neubauten über das große Areal unterhalb des Schierholzberges. „Natürlich gibt es noch mehr Gründe“, so Wagner. „Aber der demografische Wandel spielt eine Rolle dabei.“

Behalten die Experten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung recht, dann schrumpfen beide Gemeinden bis zum Jahr 2025 unter die 10 000-Einwohner-Marke: Emmerthal von zuletzt rund 10 820 auf dann 9300, Aerzen von 11 430 auf 9400. Und der Einfluss dieses Schrumpfungsprozesses schlägt sich nicht nur auf Kindergärten, Schulen oder Neubaugebiete nieder. Kaum ein Bereich, der nicht davon betroffen sind wird, vor allem: Die Folgen treffen in diesen Jahren fast jeden Einwohner. „Ich bin kein Schwarzseher“, sagt Bernhard Wagner, sieht aber viele Bereiche, die sich um 2020 herum ganz anders darstellen würden, wobei die Politik aber erst ganz am Anfang stehe, Perspektiven überhaupt in den Blick zu nehmen. Verständlich – noch bis zur Jahrtausendwende waren die Kommunen nach der Zeit der Maueröffnung und durch die Zuwanderung auf Wachstumskurs. Beispielsweise waren mit Stichtag 1. März 1999 in Aerzen 12 929 Einwohner als Höchststand gemeldet. Was auf die Gemeinden zurolle, sei im Bewusstsein der Einwohner noch nicht angekommen, wissen beide Bürgermeister. Weniger Einwohner bei einem geringeren Anteil der jungen und einer wachsenden Gruppe der älteren Bevölkerung. „Wenn ich in Gesprächen Zahlen nenne, dann folgt das große Staunen“, berichtet Grossmann. Wenn er Emmerthalern mögliche Konsequenzen aufzeigt, merken sie plötzlich die Folgen für sie persönlich. Der Bürgermeister erinnert an eine Summe, mit der er die Politik konfrontiert hat. 1500 Einwohner weniger – das bedeutet für die Gemeinde Einnahmeausfälle in Höhe von 750 000 Euro jährlich. Die Infrastruktur? Nicht alles kann die Gemeinde sich noch leisten. Oder es geht an den Geldbeutel. Eine Kläranlage beispielsweise hat nun einmal gewisse Fixkosten. Weniger Einwohner bedeuten höhere Ausgaben für die übrigen Emmerthaler.

Beide Bürgermeister sehen mit Sorge, wie sich schon jetzt die demografische Entwicklung in den Ortsbildern auswirkt. Der eine berichtet von Börry oder Emmern, der andere vom Aerzener Altdorf. Immer mehr Immobilien sind verwaist, dazwischen noch in die Jahre gekommene Gebäude, in denen manchmal ein Senior lebt. Und plötzlich heißt es für ein weiteres Haus: Zu verkaufen. Der Leerstand nimmt weiter zu. Aus den knapp zwanzig Jahren seiner kommunalpolitischen Arbeit macht Wagner die Entwicklung in den Dörfern besonders am Beispiel Grupenhagen deutlich. Zunächst gab es sogar Überlegungen, dort eine Grundschule oder zumindest eine Außenstelle zu schaffen. Der Kindergarten – sehr gut ausgelastet mit 50 Jungen und Mädchen in guten Zeiten. Heute gilt er auf Grundlage aktueller Geburtenzahlen kaum noch als lebensfähig. Glück für die dort lebenden Eltern: Der Kindergarten ist politisch gewollt. Die ersten Zeichen, dass „der ländliche Raum bröckelt“, macht Wagner an einem Zeitpunkt vor rund 15 Jahren fest: Der Arzt fand damals in Grupenhagen keinen Nachfolger, auch wenn die Aufregung groß war. Und irgendwie setzte sich der Prozess schleichend fort. „Trotz guter Dorfgemeinschaft und aktiver Vereine“, so der Bürgermeister.

Pessimisten sind beide nicht, und Prognose bleibt Prognose. Es kann auch nicht ganz so schlimm kommen … vielleicht. Doch: Der sich seit Jahren abzeichnende Trend der Zahlen und die bereits erfolgten Veränderungen setzen sich fort. Die Gemeinde Aerzen steht noch am Anfang, auf die Entwicklung zu reagieren. Beispielsweise soll in den Aerzener Bergdörfern mit bereits bewilligen Zuschüssen ein „Forum Dorf- und Landentwicklung“ starten. Im Bereich der Ortsteile Dehmkerbrock, Herkendorf, Multhöpen und Grupenhagen soll ein Planungsbüro zusammen mit den Einwohnern Konzepte entwickeln: wie sich das Dorfleben mit sozialen Schwerpunkten, mit der Versorgung oder Gemeinschaft entwickeln kann oder die Orte gestaltet werden können. Die Lebensqualität dort steigern, das ist das erklärte Ziel.

In ähnlichem Zusammenhang könnte sich der Bürgermeister das jüngst im Zuge der Altdorfsanierung im Kernort entwickelte „Leitbild 2020“ vorstellen. „Schließlich geht es dabei um Wohnen, Leben und Arbeiten im Kernort“, so Wagner – und warum dann nicht gleich unter den Aspekten der demografischen Entwicklung? Der Bürgermeister sieht im Aerzener Ortskern „mit etwas Fantasie“ Potenziale, die sich (um-)nutzen lassen. „Da gehe ich nicht ganz so negativ ran“, meint er. Doch: Die Beteiligung der Einwohner dabei sei wichtig, ebenso „der Blick von außen“, meint er unter Hinweis auf Experten. Wagner: „Oft laufen viele Dinge gut, die wir nicht so sehen – und darauf machen sie uns aufmerksam.“

Ebenso auf die Bürgerbeteiligung setzt die Nachbargemeinde. Dort sind Fördergelder vorgesehen für das Projekt „Zukunftsentwicklungsprogramm Emmerthal“ speziell vor dem Hintergrund der Demografie.

Mit externer Beratung sollen die Einwohner mithelfen, Antworten auf die drängenden Fragen zu finden. Das Bewusstsein wecken, im Rahmen „des Machbaren das Beste herausholen“, wünscht sich der Bürgermeister. Ob bei den Themen Bauen und Wohnen, Wirtschaft und Arbeit, so Grossmann: „Da können so viele Punkte aufkommen, an die wir heute vielleicht noch gar nicht zu denken glauben.“

Kurt Petters (71) und Tom (5). Foto: ll




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