Dem AdU-Vorsitzenden Ulrich Meyer lag vor allem eins auf der Seele: dass den mittelständischen Marktakteuren, die von vielen Banken wegen zu niedriger Renditen fallen gelassen worden waren, heute mehr denn je Anerkennung gebührt. Meyer: "Noch vor zehn Jahren berührten uns die globalen Probleme eher am Rande. Heute aber sind wir existenziell von Entwicklungen betroffen, die sich völlig außerhalb unserer Einflusssphäre bewegen."
Die Krise der letzten Wochen ist aus Meyers Sicht eine Krise der sozialen Marktwirtschaft - eine Systemkrise. Deren Dimensionen seien so gigantisch, dass die Vorstellungswelt gesprengt werde. Und das in weniger als einer Woche durch alle Gremien "gezimmerte" Finanzmarktstabilisierungsgesetz setzt aus seiner Sicht schlichtweg wesentliche Normen des Wirtschaftsrechts außer Kraft.
"Alle diejenigen aber, die jetzt den Finger in die vermeintlichen Wunden unseres Finanzsystems legen, müssen sich über eins im Klaren sein: Sie legen die Axt an die Wurzeln der Marktwirtschaft, wenn sie nach Verstaatlichung und gelenktem Wirtschaftshandeln rufen." Die soziale Marktwirtschaft lebe letztlich von kapitalistischen Elementen, sagte Meyer. Deshalb halte er eine Bankenverstaatlichung auch für grundfalsch.
An Prof. Norbert Walter richtete Meyer aus einem Bündel von Fragen auch die, ob es nicht andere Möglichkeiten gegeben hätte, die Finanzkrise zu lösen, zum Beispiel durch Überkreuzbeteiligung der Banken untereinander, eventuell zeitlich befristet. Für die Bundesregierung wird seiner Meinung nach die Finanzkrise jedenfalls auf Jahre hinaus als"toller Vorwand" dienen, sich Absolution in Sachen Verschuldung zu erteilen.
Eine Hoffnungäußerte der AdU-Chef aber doch: Vielleicht, so sagte er, werde es am Ende wie mit BSE oder der Vogelgrippe sein - dass nämlich die krasse Konsumverweigerung genauso schnell vorbei ist, wie sie gekommen ist. Er sei gespannt, ob der herbstliche Nebel, der über all' dem liege, sich im Rahmen einesAltweibersommers lichte oder aber weltkonjunkturelle Herbststürme sich zu Hurrikanen entwickeln.
Der Referent ("diese Krise ist ernster als alles, was ich je erlebt habe") sprach von ersten Reaktionen: Beispielsweise, so Walter, sei die Auftragslage in der Automobilwirtschaft derzeit "im freien Fall". Weitere Arbeitslosenzahlen und eine schon absehbare verminderte Steuerlast seiner Meinung nach den Staatshaushalt dramatisch belasten. Walter: "Dort regnet es ins Dach!" Große Befürchtungen hegt der Volkswirt, dass es unter dem Druck von Politikern wie Oskar Lafontaine zu einem Systemwechsel in der Wirtschaft kommen könnte.
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