Wie ein junger Mann mit großem Handicap es bis zum Abitur schafft
Janni und das Glück
Es gibt zwei Arten von Menschen. Jene, die jammern – und jene, die leben. Jan-Eric Hahn gehört zu denen, die leben. Der 19-Jährige trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Hard Rock Café Florence“ und ein offenes Lächeln im Gesicht. Ein junger Mann, der anderen gegenüber aufgeschlossen ist. Ein junger Mann mit Plänen, Zielen und dem Abitur in der Tasche.
Es gibt zwei Arten von Menschen. Jene, die jammern – und jene, die leben. Jan-Eric Hahn gehört zu denen, die leben. Der 19-Jährige trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Hard Rock Café Florence“ und ein offenes Lächeln im Gesicht. Ein junger Mann, der anderen gegenüber aufgeschlossen ist. Ein junger Mann mit Plänen, Zielen und dem Abitur in der Tasche.
Wäre da nicht seine Krankheit. Jan-Eric Hahn leidet an Diastrophischer Dysplasie, einer Erkrankung, die ihn sein Leben lang an einen elektrischen Rollstuhl fesselt und die Bewegungsfähigkeit seiner Gliedmaßen sehr einschränkt. Darüber spricht der Abiturient ganz offen, ohne jede Unzufriedenheit, ohne Lamento. „Es gibt viele, die noch viel schlimmer betroffen sind als ich“, erklärt er, sagt, dass gegen die Krankheit nicht wirklich etwas unternommen werden kann. „Maulen bringt nichts, ich habe doch noch ziemliches Glück.“
Eine ganze Reihe von Dingen hat sich der junge Mann, den seine Freunde „Janni“ nennen, vorgenommen. Etwa das Studium. Jan-Eric würde gern in Bremen studieren, Psychologie oder Betriebswirtschaftslehre oder Biologie. „Am liebsten wäre mir aber Psychologie, das fasziniert mich sehr.“ Die Bewerbung für den Platz ist schon draußen, jetzt hofft er, dass es klappt. Und immer wieder ist es dieser unerschütterliche Optimismus, diese Energie, die den Jungen antreibt: „Das wird schon klappen!“
Foto: DIALOG
Sein Abitur hat er gerade mit einem Schnitt von 2,3 am Otto-Hahn-Gymnasium in Springe gemacht. Nun möchte er eine neue Stadt kennenlernen, das Leben eines Studenten führen, in seiner eigenen Wohnung. „Bremen ist dafür ideal.“ Denn Bremen sei äußerst behindertengerecht, von den Bussen bis zur Uni. Auch in Springe hat er eigentlich gute Erfahrungen gemacht. Bis auf den Bahnhof, dort sei eigentlich auch alles prima – würden nicht ständig die Fahrstühle ausfallen. Einmal musste ihm deshalb sogar schon die Feuerwehr von den Gleisen auf die Straße bringen. Verärgert ist er aber nicht. Eher im Gegenteil: „Die Hilfsbereitschaft der Springer ist sehr groß, alle unterstützen dich, das ist ganz außergewöhnlich“, lobt er. Wann immer er ein Restaurant oder ein Geschäft betreten möchte, das nicht barrierefrei ist, eilen sofort Menschen herbei, um ihn zu unterstützen.
Für künftige Generationen beeinträchtigter Menschen würde er sich schon wünschen, dass die Stadt noch besser auf gehandicapte Menschen vorbereitet ist. „Es ist kein Geheimnis, dass viele Läden in der Stadt eine Treppe haben. Die setzt meinen elektrischen Rollstuhl bereits außer Gefecht“, sagt Janni. Entmutigen lässt er sich durch so etwas nicht. Im Gegenteil.
Von Anfang an hat der 19-Jährige dafür gekämpft, dass er normal behandelt wird. „Zuerst sollte ich auf eine Förderschule gehen“, erinnert er sich, „da hätte ich sicher nichts gelernt“. Schließlich konnte er doch die Grundschule „Hinter der Burg“ besuchen, die Empfehlung fürs Gymnasium war später eine Selbstverständlichkeit. In seinem Jahrgang war er jedoch der einzige Schüler mit einer Beeinträchtigung. „War alles kein Problem“, sagt er heute. Einen Aufzug für Rollstühle gab es zwar, der wurde allerdings seit langer Zeit nicht mehr genutzt. Später wurde extra ein Fahrstuhl eingebaut, damit er auch das Gebäude erreichen konnte, in dem die naturwissenschaftlichen Räume untergebracht sind. „Ich kam dann überall hin, alles kein Problem. Ich habe mich richtig gut integriert gefühlt.“
Nachdem er die elfte Klasse wiederholt hatte, lernte Jan-Eric neue Schulfreunde kennen und schätzen. „Sie haben mich super empfangen.“ Später, als es darum ging, eine Studienfahrt zu planen, wurde auf ihn Rücksicht genommen. „Ich kann nicht fliegen und wir beschlossen, nach Florenz zu fahren. In einem Bus, in dem Janni mit seinem Elektro-Rollstuhl einen eigenen Platz hatte. Als die Schüler in Einzelgruppen durch die italienische Metropole streiften, war Janni immer dabei. „Wenn wir in eine Kneipe wollten, haben sie immer gefragt, ob ich da auch hereinkomme.“ Wenn die Barrieren zu groß waren, wurde einfach eine andere Taverna angesteuert. „Wir waren schon ein echt cooler Jahrgang“, sagt der Abiturient und knipst wieder sein Lächeln an.
Ab dem Wintersemester möchte der künftige Student nach Bremen ziehen. Sein Traum wäre eine eigene Studentenbude. „Ich war bereits zum Evangelischen Kirchentag da, alles ist barrierefrei.“ Zudem werden an der Universität in der Hansestadt all jene Fächer angeboten, die auf Jannis Liste stehen. Ganz vorne ist die Psychologie. Sollte er da nicht genommen werden, weil er den Numerus Clausus nicht erreicht, dann studiert er eben Biologie oder Betriebswirtschaftslehre.
Seine Heimat wird er dabei trotzdem in jedem Fall in guter Erinnerung behalten. „Die Menschen, ihre Hilfsbereitschaft, ihre Freundlichkeit.“ Woher seine Begeisterung für die Psychologie kommt, vermag Janni nicht genau zu sagen. „Ich mache mir eine Freude daraus, Menschen zu beobachten, und mich zu fragen, wie sie sich gerade fühlen.“ Er kann sich gut vorstellen, in Zukunft als Psychologe zu arbeiten. Anderen bei ihren Problemen zu helfen. Erfahren, wie sie ticken, was sie bewegt. Sein Traumberuf. Wenn er Patienten ein wenig von seinem Lebensmut und seinem Optimismus abgeben könnte, wäre er vermutlich einer der besten Psychologen der Welt.