Arbeitskreis im Förderverein Erlebniswelt Renaissance: Stadtgeschichte rekonstruiert und abgebildet
Halbe Kirche erinnert an das alte Kloster
Stadthagen (sk).
Ein gewichtiges Stück Stadthäger Stadtgeschichte, das Franziskanerkloster aus dem 15. Jahrhundert mit seiner imposanten Kirche - von dieser steht zwischen Klosterstraße und Enge Straße noch ein Fragment - hat ein Arbeitskreis im Förderverein Erlebniswelt Renaissance im Grund- und Aufriss rekonstruiert. Der Kunstmaler und Historiker Theodor Vollmer aus Lauenau zeichnete Ansichten der Klosteranlage wie sie dem Ermessen von Fachleuten nach ausgesehen hat.
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Wer die Enge Straße entlanggeht, sieht das hohe aber kurze Klosterkirchengebäude hinter einer mannshohen Mauer aufragen. In dem sakralen Gebäude feiert die Evangelisch-Reformierte Gemeinde seit 275 Jahren ihre Gottesdienste (wir berichteten). Auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite offenbaren aus der Kirchenfront ragende Mauerreste, das hier das Gebäude "abgebrochen" ist. Wo liegt der Grund dafür? Ist die Kirche im Krieg beschädigt worden? Hat ein Brand gewütet"?
Udo Jobst, Vorsitzender des Fördervereins Erlebniswelt Renaissance hat die Kirchen- und Klostergeschichte erforscht und anlässlich des Jubiläums der Reformierten Gemeinde vorgetragen. Eine überlieferte Chronik des Klosters, dessen Anlage sich zwischen Kloster- und Enge Straße einst auf 6000 Quadratmeter ausbreitete, ist nicht mehr auffindbar. Graf Erich aus dem schaumburgischen Herrscherhaus - dieses stand den Franziskanern nahe - veranlasste 1485/86 die Klostergründung und steckte viel Geld in den Bau des Komplexes. Aus eigener Kraft konnten die Klosterbrüder die gewaltige Anlage mit Kirche, Konvents- und Wirtschaftsgebäuden nicht errichten. Das gesamte Gebäudeensemble, mutmaßt Jobst, habe in nördlicher Richtung über die Kurze Straße hinaus gereicht, die damals noch nicht existierte. Neben der Martinikirche war das Klosterareal in der Ackerbürgerstadt mit ihren damals 200 Häusern und 2000 Einwohnerndas stadtbeherrschende Ensemble. Heute ragt nur noch der "Kirchenstumpf" zwischen den umgebenden Häusern heraus.
Das Kloster war sehr angesehen, so Jobst, stellte wiederholt Vorsteher anderer Klöster. Und die belesenen Mönche legten im Stadthäger Franziskanerkloster eine bedeutende Kettenbibliothek an. Auf Pulten waren hier die Bücher zum Schutz gegen Diebstahl angekettet. Stadthagen, so Jobst, besitzt mit dieser Bibliothek eine Rarität. Heute sind die Kettenbücher im Bückeburger Staatsarchiv untergebracht.
Im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1559 aufgegeben. 1610 zog darin das "Gymnasium illustre" ein, das 1620 zur Volluniversität erhoben wurde. Berühmte Professoren unterrichteten hier Theologie, Jura, Medizin und Philosophie. Die erste Druckerei Schaumburgs wurde im ehemaligen Kloster eingerichtet, 1614 die "Schaumburger Chronik" gedruckt. Stadthagen blieb allerdings nur wenige Jahre Universitätsstadt. 1621 verlegte Graf Ernst die Universität nach Rinteln.
Im Dreißigjährigen Krieg diente das Franziskanerkloster vorübergehend wieder als Wohnort für Mönche. Im Jahre 1732 schenkte Graf Albrecht Wolfgang zu Schaumburg-Lippe der damals jungen Reformierten-Kirchengemeinde in Stadthagen die Klosterkirche als Andachtsort. In der folgenden Zeit wurden baufällige Konventsgebäude abgerissen, die Klosteranlage verschwand. Das Langschiff der Kirche - "wohl auch baufällig", so Jobst - wurde 1798 abgerissen. Die alten Steine fanden unter anderem Verwendung zum Bau der Pollhäger Kirche. Von der Stadthäger Klosterkirche blieb allein der Chorraum erhalten. Mit Hilfe des Bauhistorikers Joachim Gomolka vom Landesamt für Denkmalpflege haben Udo Jobst, der Architekt Joachim Fellmann sowie Theodor Vollmer die alte Klosteranlage bildlich rekonstruiert.