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Museum, Renovierung, Kultur: Inselvogt und Fürstliche Hofkammer wollen Wilhelmstein touristisch modernisieren

Großer Inselputz für ein Stück Fürstenhaus

„Wir haben noch mehr vor uns, als wir hinter uns haben.“ Der Chef der Fürstlichen Hofkammer in Bückeburg, Christian Fischer, ist an diesem Sommermorgen zum Gespräch mit unserer Zeitung auf den Wilhelmstein gekommen. Er will uns zusammen mit dem Inselvogt Michael Zobel von nicht weniger als dem schrittweisen Neubeginn des Tourismus hin zu mehr Qualität rund um die künstlich aufgeschüttete Inselfestung berichten.

Autor:

Jan Peter Wiborg
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„Wir haben noch mehr vor uns, als wir hinter uns haben.“ Der Chef der Fürstlichen Hofkammer in Bückeburg, Christian Fischer, ist an diesem Sommermorgen zum Gespräch mit unserer Zeitung auf den Wilhelmstein gekommen. Er will uns zusammen mit dem Inselvogt Michael Zobel von nicht weniger als dem schrittweisen Neubeginn des Tourismus hin zu mehr Qualität rund um die künstlich aufgeschüttete Inselfestung berichten.

Die Sommersonne hat in den vergangenen Wochen kräftig am Spiegel des Steinhuder Meeres genippt: Jeden Tag genehmigt sie sich im Zusammenspiel mit dem Wind mindestens einen Zentimeter. „30 Zentimeter“, schätzt Inselvogt Michael Zobel, „steht das Meer tiefer als sonst.“

Zobel hat Hofkammer-Chef Christian Fischer zuvor mit dem Motorboot vom Steinhuder Hafen abgeholt und konnte nicht, wie gewohnt, abkürzen, sondern musste sich einen Weg durch das Niedrigwasser suchen, um das Boot zum künstlichen Eiland zurück zu bringen, auf dem er seinen Arbeits- und Lebensplatz gefunden hat.

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„Der größte Brocken“: Die Sanierung der Festung soll rund 1,4 Millionen Euro kosten.

Das mehr als 200 Jahre alte Werk des schaumburg-lippischen Grafen Wilhelm, „zur Beförderung der Verteidigungskunst“, ist baulich und konzeptionell in die Jahre gekommen. Zusammen mit der Fürstlichen Hofkammer in Bückeburg entwickelte Zobel eine Strategie der kleinen Schritte, mit der der Wilhelmstein aus seiner düsteren Festungs- und Kanonengeschichte in die touristische Jetzt-Zeit geführt werden soll.

Sauber und gepflegt soll es zugehen auf der Insel, und der Service müsse stimmen, sagen beide. „Das ist vorher ein wenig lascher gelaufen“, räumt Fischer ein. „Seit fünf Jahren versuchen wir, das mit dem Ehepaar Zobel auf andere Füße zu stellen und einen Neuanfang im Tourismus, der schon 150 Jahre währt, zu machen.“

Von den ursprünglich 16 Häusern, die auf „Wilhelms Insuln“ standen, sind noch neun vorhanden, sieben davon schon renoviert. „Bei den Häusern haben wir das meiste geschafft“, erzählt Fischer. Die Strategie wirkt: Die Hofkammer hat die Gastronomie aufgewertet, der Inselvogt eröffnete einen Inselladen. Seine Frau und er betreuen das Gästehaus mit zwei Doppelzimmern. Die Nacht auf der Insel kommt gut an: „In diesem Jahr sind die Wochenenden ausgebucht“, berichtet Zobel, auch an den Wochentagen herrscht so rege Nachfrage, dass zwei weitere Gästehäuser in Planung sind.

Auch Kombination zählt zur Strategie

Auf dem kurz geschorenen Rasen soll dort, wo früher ein weiteres Haus gestanden hat, noch ein Grillplatz für Touristen, Übernachtungsgäste und Segler mit einem „gewissen Wetterschutz“ entstehen. Nur bei schlechterem Wetter ist eine Plane vorgesehen.

Die Wasserstandsschwankungen haben den auf Pfählen gegründeten Häusern sehr schnell zugesetzt, berichtet Fischer. „Die militärische Nutzung war minimal, die Soldaten sind 1865 endgültig ausgezogen. Die Insel ist immer bewohnt gewesen, aber die Häuser sind nicht mehr benutzt worden.“

Erst in der Gegenwart wurden neue Nutzungen gefunden: Bereits in Betrieb ist das Seminarhaus; in Kooperation mit Steinhuder Hotels halten Firmen dort Tagungen in der Abgeschiedenheit der Insel ab. Bis zu 14 Personen finden Platz in den Räumen mit Namen wie Oberstleutnant und Rittmeister „Casimir von Monkewitz“, dem einstigen Ausbilder auf der Kriegsschule des Wilhelmsteins. „Was drüber geht, wird im Clubhaus untergebracht“, sagt Zobel. Ein gediegener Ort mit Seeblick, geeignet nicht nur für Tagungen, sondern für Hochzeiten und Feste am Fuß der Festung.

Zur Strategie gehört es, Raum für Kombinationen zu bieten. Zum Beispiel mit einer Trauung auf der Festung und anschließender Feier im Clubhaus. Die Stadt Wunstorf hat in den ehemaligen Gemächern des Grafen ein Trauzimmer eingerichtet.

„Die Festung bedarf einer Grundsanierung“, sagt Fischer dann. „Die Feuchtigkeit von oben und unten muss gestoppt werden, weil das Mauerwerk jetzt schon so massive Schäden hat. Sandstein saugt sich voll wie ein Schwamm“, meint der Hofkammerchef, der zunächst von einem „siebenstelligen Betrag“ spricht, der für die Renovierung notwendig sein wird, später mit „etwa 1,3 bis 1,4 Millionen Euro“ präziser wird.

Unter anderem muss die komplette Erde von den Gebäuden entfernt werden, um die Gewölbe Stück für Stück von oben abzudichten, damit das Wasser nicht weiterhin fast ungebremst in die Katakomben läuft.

„Aber auch die Finanzkrise dieser Welt hat nicht nur das Haupthaus, sondern auch die Insel erreicht – wir müssen trotz einer überdurchschnittlichen Saison geschickter investieren.“ Solche Vorhaben müssten in diesem Fall auch einmal nach hinten verschoben werden. „Wir haben so viele Sanierungsvorhaben, zum Beispiel am Schloss Bückeburg und an der Schaumburg.“

An Fischers Schilderung wird deutlich, dass mit der Renovierung der Häuser auf dem Wilhelmstein das meiste an Arbeit getan, der größte „finanzielle Brocken“ aber noch zu bewältigen ist. Eine Förderung für die Renovierung der künstlichen Inselfestung steht bisher offenbar nicht in Aussicht. Dazu komme, dass gewerbliche Mieten wegbrächen. „Wir können zwar überleben, aber keine zusätzlichen Investitionen tätigen.“

Die Strategie des Neuanfangs enthält auch die von der Hofkammer als notwendig erachtete museumspädagogische Aufwertung der Festung. „Seit vier bis fünf Jahren sind wir dabei, ein neues Konzept zu erarbeiten.“ Die Umsetzung habe aber laut Fischer keinen Sinn, so lange das Gebäude nicht saniert sei.

Denkbar also, dass künftig Graf Wilhelm die Besucher auf der Insel begrüßt oder bei besonderen Führungen Eindrücke aus der kurzen Zeit vermittelt werden, als die Festung als schaumburg-lippisches Staatsgefängnis diente.

Wahrscheinlicher aber ist, dass ein modernes Museum auf dem Wilhelmstein den Idealen des Grafen nachspürt, der mitten in der Zeit des Siebenjährigen Krieges davon träumte, blutige Auseinandersetzungen zwischen Völkern durch Hochrüstung zu verhindern.

Inselgeschichte kommt gut an

Dass vielen der rund 60 000 Besucher, die die Insel jährlich besuchen, der Sinn nach authentischer und spannender Inselgeschichte steht, belegt ein Besuch im liebevoll bestückten Inselladen. „Mord auf dem Wilhelmstein“, der Historien-Krimi von Bodo Dringenberg, lasse sich gut verkaufen, freut sich Zobel. Der Inselladen war – wie so vieles, was sich auf dem Wilhelmstein tut – seine Idee.

Vor fünf Jahren ist der ehemalige Kommunikationsorganisator für Betriebswirtschaft und EDV zusammen mit seiner Frau vom Deisterrand auf die Insel gezogen: „Der Reiz an der Aufgabe – vieles muss sich ändern“, so formuliert Zobel seine Beweggründe. Dazu komme, offen für neue Dinge zu sein und selbstständig zu denken.

Dem rührigen Verwalterehepaar hat die Hofkammer inzwischen nicht nur für die kurze und arbeitsintensive Saison einen weiteren Mitarbeiter an die Seite gestellt. „Eine Sieben-Tage-Woche ist für niemanden durchhaltbar“, meint Fischer.

Der Hofkammer-Chef forciert selbst nach Kräften den Wandel auf dem Wilhelmstein. Er ist seit fast einem Vierteljahrhundert für die Hofkammer tätig. Vor 22 Jahren wechselte der Diplom-Forstwirt aus dem nordrhein-westfälischen Landesdienst in das fürstliche Forstamt, wurde dessen Leiter. Inzwischen trägt er die Gesamtverantwortung für den Wirtschaftsbetrieb Hofkammer.

Andere Lösungen für Segler finden

„Rundherum hört man, dass die Nahziele von Einheimischen nicht genutzt werden“, so der Hofkammer-Chef und aktive Segler, der diese Erkenntnis jüngst in einem Kreis von Steinhuder Seglern gewonnen hat und das möglichst schnell ändern will. Zusammen mit dem Inselvogt überlegt er, wie es „andere Lösungen“ bei den Anlegegebühren für Segler geben könne, auch das Nachtfahrverbot könnte in der Pilotphase bis 2010 gelockert werden. Mit dem Schiff „Flotte Weser“ könnte außerdem ein weiterer Anbieter aufs Meer geholt werden.

Einen kompletten Wandel zum „Hochedlen“ wird es auf dem Wilhelmstein nicht geben. 80 bis 90 Prozent der Gäste sind Tagestouristen. „Es muss bezahlbar bleiben“, heißt die Devise von Fischer und Zobel. Daneben steht der Versuch, in der kurzen Saison Kulturtouristen mit der „Kunst im Glashaus“ oder auch kleinen Konzerten zusätzlich zu begeistern.

Über allem soll weiterhin die – modernisierte, entmuffte – weiß-rot-blaue Tradition stehen, die auch der Inselvogt längst verinnerlicht hat: „Es ist nicht einfach nur eine Heidepark-Siedlung, sondern ein Stück Bückeburg und Fürstenhaus, das ist uns klar.“




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