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Wie heimische Bundestagskandidaten mit Slogans und Porträts in den Wahlkampf ziehen

Für griffige Parolen halten sie den Kopf hin

Hameln-Pyrmont. „Yes, we can!“ Barack Obamas Wahlkampf-Parole ist bereits Legende. Dass die Kraft eines starken Slogans zur richtigen Zeit über die Sympathien der Wähler entscheiden und zu einer schnellen Verbreitung und Massenwirkung führen kann, wissen Politiker besonders in Wahlkampfzeiten zu schätzen. Für griffige Sprüche halten auch heimische Kandidaten ihren Kopf hin, blicken dem Betrachter fest in die Augen, lächeln freundlich und versuchen, nicht zuletzt mithilfe von Porträts zu punkten.

Autor:

Karin Rohr
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Hameln-Pyrmont. „Yes, we can!“ Barack Obamas Wahlkampf-Parole ist bereits Legende. Dass die Kraft eines starken Slogans zur richtigen Zeit über die Sympathien der Wähler entscheiden und zu einer schnellen Verbreitung und Massenwirkung führen kann, wissen Politiker besonders in Wahlkampfzeiten zu schätzen. Für griffige Sprüche halten auch heimische Kandidaten ihren Kopf hin, blicken dem Betrachter fest in die Augen, lächeln freundlich und versuchen, nicht zuletzt mithilfe von Porträts zu punkten.

„Wir mussten uns nicht an Vorgaben halten, hatten freie Hand bei der Gestaltung unserer Wahlplakate“, sagt Hans Peter Thul (CDU). Martina Tigges-Friedrichs (FDP) findet das völlig in Ordnung: „Wer die Musik bezahlt, darf sie auch bestimmen.“ So gibt’s auf den Plakaten der heimischen Kandidaten zwar eine moderate Anlehnung im Grund-Layout an die bundesweite Parteienwerbung – alles andere aber wurde frei entschieden.

„Besser in der Tat“ wirbt Thul für sich und seine Wiederwahl in den Bundestag. Ein Mann der Tat? „Wer mich kennt, weiß, dass ich das bin“, sagt Thul. Ob es um das Hacken von Kaminholz geht oder die Sanierung seines 300 Jahre alten Hauses – immer packe er selbst mit an. „Ich habe mich auch im Bundestag stets für die Suche nach pragmatischen Lösungen stark gemacht“, sagt Thul. Er halte nichts davon, über Modelle zu streiten und Ideologien zu diskutieren. Als verlässlich und vertrauenswürdig möchte er gern im Porträt rüberkommen. Er selbst hat das Foto zwar nicht ausgesucht (Thul: „Es gab eine richtige Konferenz unter Mitarbeitern und dem Wahlkampf-Team.“) aber zwei Bedingungen gestellt: „Es sollte kein Bild sein, auf dem ich schallend lache.“ Und: „Es soll erkennbar sein, dass ich nicht mehr der Jüngste bin“, lehnt Thul Faltenretuschierungen ab. Schließlich wolle er sich ähnlich sehen, wenn er als Redner im Wahlkampf neben seinem Plakat stehe.

Gegen ein bisschen Retusche hat Martina Tigges-Friedrichs nichts einzuwenden: „Die Stirnfalten wurden weggeschminkt“, sagt sie zu ihrem Porträt, mit dem sie im Übrigen „total zufrieden“ ist: „Es ist schön geworden.“ Und, klar, sei sie vorher beim Friseur gewesen und professionell geschminkt worden. Sie will sympathisch wirken: „Eine Unsympathische würde man nicht wählen“, meint die FDP-Politikerin, die mit dem Slogan „Leistung muss sich lohnen!“ in den Wahlkampf gezogen ist. Die Parole wurde zwar mit dem Vorstand abgestimmt, aber: „Das letzte Wort hatte ich“, so Tigges-Friedrichs. Und: „Ja, ich bin ein Leistungsmensch.“ Jemand, der arbeitet, müsse „mehr haben als der, der nicht arbeitet“. Und wer viel arbeite, müsse auch mehr bekommen, sagt sie. Meint damit: „Lohn u n d Anerkennung.“ Und findet den Slogan „klar und nicht erklärungsbedürftig“.

Dr. Marcus Schaper (Bündnis 90/Die Grünen) möchte dagegen ausdrücklich mehr sagen und erklären – zu seinem Slogan „Gerechtigkeit für’s Weserbergland“ (mit dem Apostroph steht’s tatsächlich auf dem Plakat), den er unter die Bundesparole seiner Partei „Aus der Krise hilft nur Grün“ gesetzt hat. Gerechtigkeit ist für ihn „das Maß, an dem sich alles soziale Handeln orientieren muss“. Der Web-Link auf seinem Plakat liegt ihm sehr am Herzen. Die Wähler sollen sich mit einem Klick ins Internet weitergehend informieren: „Wir wünschen uns den Dialog.“ Auch ein Kopfbildplakat dürfe nicht inhaltsleer sein. Letztlich gehe es um Inhalte und nicht um Gesichter. Zum Frisör ist er vorher nicht gegangen: „Das hat terminlich nicht mehr geklappt.“ Und die Brille sitzt „auch sonst so schief wie auf dem Foto“, freut er sich, dass dem Fotografen ein „realistisches, gutes Abbild gelungen ist“. „Noch kennen mich die Leute nicht vom Gesicht her“, sagt Schaper. Das könne ein Vorteil oder auch ein Nachteil sein. Auf jeden Fall hofft er, „kompetent“ rüberzukommen: „Nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf sozial-menschlicher Ebene.“

Eine, die (fast) alle vom Gesicht her kennen, ist die SPD- Bundestagsabgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller, in ihrem Wahlkreis liebevoll „Lömö“ genannt. Sie leistet es sich, auf ihren vollen Namen auf dem Plakat zu verzichten: „Er ist nicht politiktauglich“, findet sie. Und so tritt sie wie schon vor vier Jahren zur Bundestagswahl mit dem Slogan „lömo. einfach klasse“ an. „Er soll das, was ich und andere an mir finden, auf den Punkt bringen“, sagt die SPD-Politikerin. Die Kombination von „einfach“ und „klasse“ gefalle ihr in ihrer Mehrdeutigkeit. Mit ihrem Porträt ist sie auch zufrieden. „Da ging alles ganz schnell und in Serie“, erzählt Lömö. Ein Visagistin nahm im Berliner Willy-Brandt-Haus alle SPD-Kandidaten unter ihre Fittiche. Dann wurden die Fotos geschossen. Und nachbearbeitet. „Ich hatte eine dicke, entstellende Zahnfleischentzündung“, erinnert sich Lösekrug-Möller. „Da wurde kräftig retuschiert. Auf ein paar Falten habe ich aber bestanden.“ Wie sie rüberkommen will? „Einfach klasse“.

Jutta Krellmann (Die Linke) hat sich darüber bislang nicht den Kopf zerbrochen. Es gibt kein Wahlplakat mit einem Kopfbild von ihr, wird es vielleicht auch gar nicht geben: „Wir haben darüber geredet, aber nichts ist entschieden.“ Überhaupt findet sie Inhalte ohnehin viel wichtiger. Ihr Konterfei schmückt lediglich Lesezeichen, die im Wahlkampf verteilt werden: Da sieht man sie fröhlich lachend auf die Parteifahne gestützt. Auf der Rückseite steht ihr Wahl-Slogan: „Für soziale Gerechtigkeit, Arbeit, Bildung und Frieden.“ Dafür habe sie sich immer eingesetzt. Dafür trete sie auch jetzt an. Ihre Partei ziehe vor Ort nur mit inhaltlichen Positionen zu Themen wie Finanzkrise, Steuergerechtigkeit, Rente, Hartz IV oder Mindestlohn in den Wahlkampf. „Kopfbilder auf Plakaten lenken eher ab“, findet die Spitzenkandidatin der Linkspartei. Man schaue auf die Köpfe und nehme die Aussagen gar nicht wahr. In Amerika habe sie erlebt, dass Kandidaten ganz auf Inhalte verzichten und nur ihre Fotos hochhalten. Leider werde auch bei uns der Wahlkampf immer amerikanischer.

Viele Wahlplakate hängen schon: Mit individuellen

Slogans und Porträts werben die heimischen Kandidaten um die Gunst der Wähler bei der bevorstehenden Bundestagswahl. Sie blicken den Wählern fest in die Augen, lächeln freundlich und möchten nicht zuletzt mithilfe sympathischer Konterfeis punkten. Montage: Waldeck

Jutta Krellmann (Die Linke) gibt’s bislang lediglich als Lesezeichen, die im Wahlkampf verteilt werden. Inhalte findet die Spitzenkandidatin der heimischen Linkspartei ohnehin wichtiger als Gesichter: Da schaue man im Vorbeigehen nur auf die Köpfe und nehme die Aussagen gar nicht wahr.




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