Wobei „Sorge“ in diesem Zusammenhang überhaupt nicht angebracht ist, findet Swantje Goldbach. Sie gilt als Bildungsexpertin und leitet seit Jahren das „Lernwerk Berlin“, eine Einrichtung, die mit einem üblichen Nachhilfe-Institut nicht viel gemein hat.
„Sorgen sind das schlechteste Mittel der Wahl“, sagt Swantje Goldbach über Reaktionen auf Zeugnisse. Ihre Grundhaltung ist: Nicht jeder kann in allem gut sein, und vielleicht muss man sich als Eltern mit einer Vier in Mathe oder Physik auch einfach mal abfinden können. Und das Kind trotz mangelnder Begabung beispielsweise in Naturwissenschaften lieben, natürlich. „Wo man hingucken muss“, sagt Goldbach, „ist, wenn plötzlich viele Noten schlecht sind“ oder wenn hinter den Nebenfächern wie Kunst oder Ethik eine Fünf steht. „Dann ist es ein Energieproblem“, denn für diese Fächer müsse der Aufwand nicht sagenhaft groß sein, um passabel abzuschneiden. Aus Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen – die sich meist recht gut reflektieren könnten – erfährt Goldbach häufig, woran es hapert. Sätze wie: „Ich kann mich nicht aufraffen“ oder „ich verbringe irgendwie zu viel Zeit am Computer“ bekomme sie dann zu hören. Die zwei häufigsten Gründe, weshalb Schüler in ihren Leistungen absacken, sind laut Goldbach erstens die Pubertät, zweitens der Computer. Hin und wieder sei auch die verkehrte Schule gewählt worden. Während die Dauer der Computernutzung noch reguliert und kontrolliert werden kann, sieht’s bei den Hormonschüben der Pubertät schon anders aus.
Was ist also das Mittel der Wahl beim pubertierenden Nachwuchs mit Hang zum Schule-doof-und-überflüssig-Finden? „Ruhe!“ Man kommt rein, sagt Goldbach, und man kommt auch wieder raus. Ihrer Erfahrung nach messen Eltern in dieser Zeit der Schule zu viel Gewicht bei. Für die Kinder gebe es dann einfach wichtigere Themen als nur Schule, doch je mehr Eltern sie zum Thema machten und den Druck erhöhten, umso mehr mutiere sie zum ausschließlichen Stressfaktor. „Es ist wichtig, dass die Eltern in dieser Zeit den Kontakt zu ihren Kindern halten“, so Goldbach. Und „total verbocken tun’s die meisten nicht“.
Um eines Energieproblems Herr zu werden, muss den Kindern genug Ausgleich geboten werden. Der größte Fehler, der angesichts voller Stundenpläne bis in den Nachmittag gemacht werde, sei es, „Sport zu streichen“ oder Musik. Viele Kinder bräuchten genau das als Gegenpol, um überhaupt lernen zu können. Ein Hobby zu haben, bei allem Stress, ist das beste Mittel, um ihn auszuhalten.
Wenn das Zeugnis wirklich knapp ist, sprich die Versetzung gefährdet ist, nimmt Goldbach eher nicht die „Betonfünf“ in Angriff, sondern konzentriert sich mit den Schülern auf die Neben- und Ausgleichsfächer. In ihnen besser zu werden, falle vielen leichter als in dem Fach, in dem sich diese ehrliche Fünf eingenistet hat.
Außerdem lernen die meisten nicht gut übers klassische Üben, zeige ihre Praxis, sondern übers Spielerische und indem Schüler im wahrsten Sinne des Wortes „in Bewegung kommen“.
Wer beim Lesen ständig mit den Fingern „rumnestelt“ oder wippt oder auf- und abgeht, braucht vielleicht gerade das. Sie gebe ihren Schülern dann schon mal Wachs zum Kneten, während sie eine Aufgabe lösen.
Vor allem bei Kleineren gelte: „Wenn man merkt, er kann gerade nicht mehr, dann ist es besser, ihn erst mal rumtoben zu lassen“, anstatt den Sohn bis zum „Fertiglernen“ an den Schreibtisch zu verbannen.