Sonnenblumenfelder und Wildblumenwiesen
Sonnenblumen, Amaranth, Cosmea in Hülle und Fülle. Kurze Verschnaufpause unterm Rosengang. Soviel Herrlichkeit ist kaum zu fassen, ja manchmal sogar kaum zu ertragen. Das gilt samt und sonders auch in Bezug auf die Preise im Shop, wenn das groß angelegte Unternehmen „Le Prince Jardinière“ für ein paar lausige Tomatensamen fünf Euro kassieren will. Nein, lieber noch eine Runde drehen und aufs Glück hoffen. Wenn keiner guckt, kann man – natürlich nur rein theoretisch – auch schon mal zwei Tomätchen mitgehen lassen: eine als Reiseproviant, die andere als Saatspende für die eigene Anzucht.
In diesem Fall die gelbe „Yellow Nugget“, nicht weitersagen…
„Bonjour et bienvenue“ wünscht ein netter Herr im Kassenhäuschen am sinnlichsten aller Gärten des Loire-Tals: Château de la Chatonnière. Eigentlich ist es nicht e i n Garten, sondern es sind gleich zwölf! Einer romantisch, ein anderer elegant, ein nächster überschwänglich in Blüte stehend. Béatrice de Andia, Besitzerin des vergleichsweise kleinen Schlosses und seines Parks (klein ist natürlich relativ…), hat mit ihrem Chefgärtner Ahmed Azéroual im Tal des Flusses Indre unweit des schönsten Loire-Schlosses Azay-le-Rideau ein poetisches Schmuckstück geschaffen, dessen Verführung in seiner Fülle liegt, ohne die aufgeräumte Eleganz des Hypergartens Villandry zu besitzen. Hier sind keine 55 Kilometer Buchsbaum wie an der Schnur gezogen und schachbrettisch geformt, hier in Chatonnière sind die Themengärten, die im ganzen einen großen Garten ergeben, von Wildblumenwiesen gesäumt, auf denen Mohn noch Mohn und Kornblumen noch Kornblumen sein dürfen: einfach nur schön dahin wachsend. Madame de Andia und Monsieur Azéroual haben etwas Wundervolles erschaffen!
Villandrys Staudengarten macht süchtig
Folgen wir bei dieser Loire-Reise also nicht den großen Schlössern wie Chambord, Cheverny und Chenonceau; da ist ohnehin viel zu viel los und kaum eine Chance auf Besserung bis Ende September. Folgen wir lieber den Schmetterlingen. Wir fahren an Wildblumenwiesen und Sonnenblumenfeldern vorbei. Wo Segelfalter und Schwalbenschwanz ihren Heimathafen haben, muss Fülle sein. Die gibt es im Garten des Schlosses Villandry ohne jeden Zweifel. Besonders süchtig macht der Sommerblumen- und Staudengarten im hinteren Bereich mit Edeldisteln, Lavendel, seltenen Mohnpflanzen, Sonnenhut und -braut in vielen unterschiedlichen Farben. Hier macht der Garten Frankreichs seinem Namen alle Ehre.
Aller Ehren wert und zudem weniger bis gar nicht überlaufen ist die Prieuré de Saint-Cosme. Der Garten: très charmant, weil ganz offensichtlich nicht mit der Nagelschere bearbeitet, und reich an Kräutern, Gemüse und Zierpflanzen. Mittendrin in einem abgesperrten Bereich machen sich Studenten und Professoren mit Schäufelchen, Pinsel, Bürsten daran, verschüttgegangene Überreste des ehemaligen Klosters freizulegen und zu rekonstruieren, wie es vor Jahrhunderten gewesen sein muss. Das ist nicht nur logisch, sondern sogar archäologisch.
Nun ja, da wäre dann doch noch eines dieser großen Schlösser: Chenonceau schwebt über den Wassern des Cher, ein Zufluss der Loire. Das Schloss: wunderschön, aber so voll von Menschen wie ein Bienenstock voll von Bienen ist. Die formalen Gärten: So voll von streng erzogener Langeweile. Da hilft nur die Flucht in den abgelegenen Gemüsegarten. Der ist wunderhübsch und selbst an überlaufenden Wochenendtagen fast menschenleer. Amaranth wächst hier in knalligem Rot-Violett, Zinnien gleich in Hundertschaften und Kürbisse an Rankgerüsten in den Himmel. Himmlisch.
So fügt sich ein Tag an den anderen im Loire-Tal, so wie ein Blütenblatt an ein nächstes sich fügt und ein Schmetterling mit dem anderen fliegt. „Und? Was haben Sie heute gesehen?“, fragt Gildas Untersteller, die hier im Park der Burgruine Cinq-Mars-la-Pile ein Chambre d’hôtes vermietet. „Wir sind einfach den Schmetterlingen gefolgt.“
Und morgen folgen wir ihnen wieder.