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"Lumpenproletariat" / Brandes: Tut mir leid

Empörung über verbale Attacke auf Umsonstladen

Bad Nenndorf (fox). Die Bemerkung, die CDU-Ratsherr Friedhelm Brandes in einer Fraktionssitzung Ende vergangenen Jahres gemacht haben soll, hat in Bad Nenndorf Empörung ausgelöst. Während einer mündlichen Gerichtsverhandlung hatte Brandes' Verteidiger Andreas Fedler am Mittwoch den Begriff "Lumpenproletariat" zur Sprache gebracht (wir berichteten gestern). Dem Vernehmen nach soll Brandes den "Umsonstladen" und dessen Umfeld als solches tituliert haben. Brandes' Rechtsanwaltskanzlei befindet sich in demselben Haus wie der "Umsonstladen".

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"Das ist eine Respektlosigkeit - besonders aus dem Mund eines Ratsmitglieds", sagt Rosemarie Börner von der "Lokalen Agenda". Diese betreibt den Laden an der Hauptstraße. "Viele Menschen aus der oberen Gehaltsschicht in Bad Nenndorf bringen gebrauchte Kleidung und Ähnliches in den Umsonstladen. Auf diese sind wir auch angewiesen." Viele der Kunden seien unverschuldet in Not geraten. "Es ist eine Unverschämtheit und wirklich traurig, diese Menschen als ,Lumpenproletariat' zu bezeichnen", sagte Börner. "Solch eine Aussage wäre unterstes Niveau", sagte Dennis Grages, Sprecher der Jusos Bad Nenndorf. Diese Äußerung sei eine "bodenlose Frechheit" und "eine Beleidigung für die Menschen, die das Angebot des Umsonstladen nutzen, aber auch für die ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter", so Grages weiter. Die "Lokale Agenda", die diesen Laden betreibt, leiste einen wichtigen und lobenswerten Beitrag. Menschen, deren finanziellen Mittel stark eingeschränkt sind, hätten mit dem "Umsonstladen" die Möglichkeit, Kleidung aber auch alltägliche Gebrauchsgegenstände, gegen ein geringes Entgelt oder kostenlos zu bekommen. Das große Angebot des Ladens werde meist durch Spenden zusammengetragen. Dieses Konzept ist ein Beitrag zur Selbsthilfe und Solidarität im Alltag und habe sich auch bereits in anderen Städten durchgesetzt. "Ich habe versucht, den Kundenkreis dieses Ladens soziologisch-gesellschaftlich einzuordnen und dabei den - heute sicher ungebräuchlichen - Ausdruck ,Lumpenproletariat' verwendet", sagte Brandes gestern. Er habe diesen Ausdruck als gesellschaftspolitisch wertneutralen Begriff verwendet. Er habe "keineswegs beabsichtigt" den betreffenden Kundenkreis oder gar die Mitarbeiter dieser Einrichtung "herabzuwürdigen oder zu beleidigen". Er sei sich der Außenwirkung nicht bewusst gewesen, sagte er der CDU-Ratsherr in einem Pressegespräch. Denn die Aussage sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, die Wirkung weder beabsichtigt, noch vorhergesehen. "Das ist mein Fehler, den ich außerordentlich bedauere." Die Fraktionssitzung habe internen Charakter gehabt. Er habe sich als Privatmann und Miteigentümer des Grundstücks Hauptstraße 15 so geäußert, sagte Brandes. Die Bezeichnung sei außerhalb der Tagesordnung gefallen. Nämlich "nebenbei" in jener Fraktionssitzung. Zur Verdeutlichung der Gewichtung zog er den Vergleich der damals gelaufenen Diskussion zu einem Stammtischgespräch. Inhaltlich sei es um die Branchenansiedlung nach dem Abriss des "Ceha-Bock"-Komplexes gegangen. Indiesem Zusammenhang sei auch das frei werdende Ladenlokal erwähnt worden, in dem zuvor ein Sonnenstudio eingemietet war und wo nun der "Umsonstladen" sein Domizil hat. Um es nicht nur beim bloßen Wort des Bedauerns zu belassen, bietet er dem Betreiberverein des "Umsonstladens" eine Geldspende von 1000 Euro an. "In der Hoffnung, dass insbesondere auch die Mitarbeiter dieses Vereins diese Spende als Ausdruck meines Bedauerns annehmen werden, zugleich auch stellvertretend für den Kundenkreis, der diese Einrichtung frequentiert", so Brandes. Er entschuldige sich nicht, weil er nun "Angst bekommt" oder "Schaden von der Praxis abwenden will", sagte Brandes. Er möchte dem Eindruck entgegen wirken, dass er sich über jene Menschen erhebt, die er zuvor als "Lumpenproletariat" bezeichnet hatte. Es gebe in der Mandantschaft seiner Sozietät viele Sozialhilfeempfänger, so Brandes.




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