Dieter Dölling fährt Hochrad, bricht Bestmarken und erfindet neue Disziplinen / "Bin ein verrückter Hund"
Drei 122 Jahre alte Hochrad-Weltrekorde pulverisiert
Obernkirchen (rnk).
Nasses Wetter, das bedeutet feuchte Straßen, besorgt blickt Dieter Dölling daher auf den dunkel schimmernden Asphalt: "Das ist gar nicht gut", sagt der 54-jährige Hannoveraner, geht aber dennoch zu seinem Auto und schnallt sein Fahrrad vom Dach: Es ist ein Hochrad, wie es im 19. Jahrhundert einmal üblich war, das vordere Rad hat einen Durchmesser von 1,32 Meter.
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Dölling hat sich hier und heute viel vorgenommen: Gleich sieben Weltrekorde will er brechen, darunter drei, die vor 122 Jahren aufgestellt wurden: über 4000, 5000 und 7500 Meter mit dem Hochrad.
Dölling kommt aus der Radsportszene, war früher aktiver Sportler, hat früher auf dem Hochrad an Schaufahren teilgenommen und in den früheren achtziger Jahren damit erste Rekorde aufgestellt, ehe er vor acht Jahren ernsthaft mit dem Hochrad-Training begann.
Dölling jagt seitdem Weltrekorde. Bis 2005 stellte er 26 Hochrad-Weltrekorde auf, war zweimal Stundenweltrekordler im Einradfahren, ebenso oft Weltrekordler im Dauerfahrern auf einer Trainingsrolle, stellte Weltrekorde in den Disziplinen 100 Meter Steuerrohrfahren, ein Kilometer Tretrollerfahren und im 100 Meter Einradfahren auf. Die Weltrekordler von 1885 hat er in alten Unterlagen gefunden, ein Herr Pundt und ein Herr A. Lehr haben sie damals aufgestellt, wahrscheinlich in Berlin. "Über das Wetter und die Tagestemperaturen steht in den Unterlagen nichts", erklärt Dölling, der sich für diese drei Rekordversuche eine schöne Gefällestrecke ausgesucht hat: Vom jbf-Zentrum geht es runter bis zur "Süßen Mutter", dann rechts ab in Richtung Rolfshagen, wo an der Schule das Ziel ist. Freunde und Helfer haben die Straße abgemessen und Kilometerschilder aufgestellt, gleich drei offizielle Zeitnehmer und Zeugen hat Dölling mitgebracht. Die Streckenwahl ist nicht zufällig erfolgt: Dölling hat hier vor vielen Jahren Lehrgänge für Kunstradfahrer besucht, ehrenamtlich ist er Fachwart und erster Vorsitzender der Kunstradfahrer im Radsportbezirk Hannover.
Das Fernsehen ist nicht da, dasärgert Dölling etwas: "Erst wollten sie kommen, dann war Obernkirchen doch zu weit entfernt", erklärt er, klettert auf sein Hochrad, dreht ein paar Runden und sagt: Den Minutenweltrekord können wir doch hier aufstellen." Er sagt wirklich aufstellen, denn brechen kann er diesen Weltrekord nicht:Es gibt ihn noch nicht. Denn Dölling will nicht nur bestehende Weltbestzeiten auf dem Hochrad brechen, er erfindet auch neue Disziplinen. Den Minuten-Rekord etwa, hinter dem sich eine einfache Idee verbirgt: Wie viele Kreise kann ein Hochradfahrer in einer Minuten fahren? 60 Sekunden später sind alle etwas schlauer: 18.
Dann geht es den Berg hinab, rasend schnell ist Dölling unterwegs auf dem Hochrad. Zeitnehmer Heinz Zirkel verwundert das nicht: "Wir haben schon Spitzengeschwindigkeiten von 35 Stundenkilometern erzielt." Natürlich bricht Dölling die Alt-Berliner-Rekorde: 6.53 Minuten braucht er für vier Kilometer, 8:31 Minuten für fünf und 13.16 Minuten für siebeneinhalb Kilometer, die alten Zeiten werden geradezu pulverisiert.
Ein paar Minuten ruht er sich in Rolfshagen an der Schule aus, dann will er die vier nächsten Rekorde aufstellen: Wie langsam kam man mit einem Hochrad über 25, 50 und 75 Meter fahren? Bislang gibt es nur einen Weltrekord über 100 Meter Langsamfahren, (natürlich hat ihn Dölling aufgestellt), die anderen drei Kategorien hat er sich ausgedacht. Sein Ziel ist die Aufnahme in der Bibel der Rekordjäger, dem Guiness-Buch der Rekorde. Ob es klappt, weiß er nicht, "aber wir werden ihnen die Zeiten schicken." Warum er Rekorde brechen will, weiß er genau: Weil er ein "verrückter Hund" ist und eben auch zeigen will, was im Alter sportlich noch möglich ist - auch wenn er die sportlichen Disziplinen erst erfinden muss. Und seit gestern stehen die neuen Weltrekorde im Hochrad-Langsamfahrern über 25, 50 und 75 Meter bei 54, 90 und 133 Sekunden, aufgestellt in einer ruhigen Nebenstraße in Rolfshagen.