Bilder des „Ewigen Lebens“ warten auf (Ihre) Entdeckung / Bisperode bietet mehrere Fundorte
Das Sonnenrad als Sinnbild der Ewigkeit
Eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Grundvorstellung für die Menschen des Abendlandes ist die christliche Überzeugung von der Existenz des „Ewigen Lebens“. Die Frage „Wie werde ich selig?“ beherrschte besonders das Leben der Menschen des Mittelalters. Glaubensbekenntnis und „Vaterunser“ spiegeln dies wider. Wie man sich bemühte, diesen Gedanken im Bewusstsein zu verankern, zeigt besonders die Ersetzung des Begriffs „Totensonntag“ durch den Begriff des „Ewigkeitssonntags“ im November.
Autor:
Fritz König
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Eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Grundvorstellung für die Menschen des Abendlandes ist die christliche Überzeugung von der Existenz des „Ewigen Lebens“. Die Frage „Wie werde ich selig?“ beherrschte besonders das Leben der Menschen des Mittelalters. Glaubensbekenntnis und „Vaterunser“ spiegeln dies wider. Wie man sich bemühte, diesen Gedanken im Bewusstsein zu verankern, zeigt besonders die Ersetzung des Begriffs „Totensonntag“ durch den Begriff des „Ewigkeitssonntags“ im November.
Wer sich informieren möchte, wie die Menschen auf den Dörfern seit Alters her mit dem Ewigkeitsgedanken umgingen, wird fündig bei Betrachtung der Fassaden alter Fachwerkhäuser, an den mächtigen Fachwerkbalken über den großen Einfahrtstüren der bäuerlichen Dielen. In der Statik der Gebäude dienten diese Balken ursprünglich dazu, die Last der Ernte, gelagert auf dem Dachboden, abzufangen. Zugleich nutzte man sie zu Angaben über die Erbauer und auf die Zeit der Errichtung des Baus. Daneben sind neben erbaulichen Sprüchen oft gegenständliche Darstellungen zu finden, deren Inhalt dem heutigen Betrachter sich erst nach einiger Überlegung erschließt. In meist erhabenen Schnitzwerken ist ein liegender Zweig mit Blättern und Blüten zu erkennen. Dies ist kein beliebiges Dekor, sondern als Zweig vom Baum des Lebens ein Zeichen der Ewigkeit. Ein solches Sinnbild der Ewigkeit ist auch das Sonnenrad mit seinen strahlenförmigen Speichen. Das Sonnenrad ist eine Verheißung der heilen göttlichen Weltordnung, in der die Bewohner des Hauses auf ewig geborgen sein sollen. Beispiele für diese sinnfällige alte Ausschmückung der Hausfassaden sind in Bisperode auf der Langenstraße, der Mühlenstraße und an der Voremberger Straße zu finden. Das Sonnenrad am Haus Mühlenstraße 3 ist durch den Anbau einer Veranda allerdings überbaut worden.
Wer es liebt, sich dem Ewigkeitsgedanken über eine Darstellung der bildenden Kunst zu nähern, kann sich auf den Bisperoder Friedhof begeben. Hier ist es dem Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Bisperoder Schloss lebenden Bildhauer Paul Keyser gelungen, an einem über mannshohen Grabstein seine religiösen Vorstellungen bildhaft zu vermitteln. In einer an den romantischen Maler C.D. Friedrich erinnernden Art überwölbt die Welt des Menschen ein sanfter, transzendentale Ferne spürbar machender Abendhimmel. Der Sonnenuntergang befriedet die geschäftigen, nicht immer erfolgreichen Tagesabläufe, hier das mühsame Pflügen des Ackers. Stellvertretend für den Betrachter vertieft sich der betende Pflüger in die abendliche Stimmung. „Und meine Seele spannte / weit ihre Flügel aus / flog durch die stillen Lande / als flöge sie nach Haus.“ So möchte man den Dichter Eichendorff zitieren und damit das Erlebnis des Übergangs zur Ewigkeit einfangen.
3 Bilder
„Ausruhender Pflüger vor Abendhimmel“ von Maler und Bildhauer Paul Keyser.
Foto: DIALOG
Wenn wir die Bisperoder Peter-und-Paul-Kirche betreten, fällt sogleich am 1716 fertiggestellten Barockaltar das fremdländische Rankenwerk auf, das als Schnitzwerk diesen Ort der inneren Einkehr umrahmt. Es handelt sich hier um die aus dem Orient bekannte stark rankende Akanthus-Pflanze. Wegen dieser Eigenheit wurde das Gewächs schon früh als Dekor im Kirchenbau verwendet: als Symbol der immerfort in die Zukunft weiter lebenden Ewigkeit. Ein anderes Motiv am Bisperoder Altar ist schwer zu deuten. Zu beiden Seiten des Altars ist je ein Gefäß aufgestellt mit Gebilden, die spitz zulaufend wie Grünpflanzen anmuten, zumal sie bei der letzten Ausmalung der Kirche mit grüner Farbe bemalt wurden. Wären sie mit der Farbe Gold bemalt, würde sich ihre wahre, symbolhafte Aussage erschließen. Es handelt sich um die ewig brennenden Flammen eines lebendigen Glaubens, der ewig währt. So gesehen haben wir hier ein sinnreiches Bild für das Pfingstgeschehen vor uns.
Bisperodes
Friedhofstor erinnert mit
den Buchstaben A und O,
den Anfangs-
und Endlau- ten (Alpha
und Omega)
des altgrie-
chischen Alphabets, daran, dass alles auf ewig in Gottes Hand liegt.