Konstantin Wotschel war acht Jahre alt, als er mit seiner Familie aus dem fernen Kasachstan nach Deutschland kam. Ein paar Brocken Deutsch hatte er da bereits von seiner Großmutter gelernt, und doch erinnert er sich gut, wie fremd und unsicher er sich in den ersten beiden Jahren fühlte, wo er plötzlich wieder in die 1. Klasse gehen musste und sich wie ein Außenseiter vorkam.
Auch wenn er dann aber Freunde fand und inzwischen gar nicht mehr viel darüber nachdenkt, ob er nun Russe oder Deutscher ist - seine Neigung zum Kampfsport hat sicher etwas mit der frühen Außenseitererfahrung zu tun.
Zwar begann er auf der Suche nach der richtigen Sportart für sich mit dem Fußballspiel, auch Geräteturnen, Schwimmen und Leichtathletik kamen zunächst in Frage. Richtig glücklich wurde er aber erst, als er endlich entdeckte, dass es in Rinteln eine Boxsparte gibt. "Die Leute haben Respekt, wenn sie wissen: Da ist ein Mann, der seinen Kampfstil beherrscht!", sagt er. Er beherrscht ihn tatsächlich so gut, dass er bei der Niedersachsenmeisterschaft 2007 neben dem Meistertitel auch noch einen Pokal für den besten Techniker bekam.
Bis man aber zum ersten Mal in den Ring steigen und kämpfen darf, muss man im Training mit VTR-Trainer Thomas Meyer erst einmal bewiesen haben, dass es einem wirklich ernst ist mit der Bereitschaft, sich körperlich und psychisch auf das Boxen einzulassen.
"So viele kommen und gehen", sagt Konstantin Wotschel. Er aber blieb, nahm im Jahr 2006 zum ersten Mal an einem Wettkampf teil und gewann in einem bis zum letzten Moment aufregenden Duell die Landesmeisterschaft.
Im Federgewicht - es endet bei einem Körpergewicht von 57 Kilo - kommt es auf Schnelligkeit und Geschicklichkeit an. "Ich hätte keine Angst vor einem schwergewichtigen Gegner. Ich bin sehr schnell, ich schlage auch viel schneller zu - nein, ich brauche sowieso vor keinem Kampf Angst zu haben", sagt er. "Wenn man Angst hat, hat man schon verloren!"
Beim diesjährigen Meisterschaftskampf bewies er seine überlegene Coolheit, indem er den Gegner allein mit der Linken ausboxte. "Ich wollte mal ausprobieren, ob das geht..."
Dreimal in der Woche trainiert Konstantin Wotschel zusammen mit Vereinskollegen, die eine aus vielen Nationalitäten zusammengewürfelte Truppe darstellen und doch vereint sind in so guter Kameradschaft, dass sie sich mit ihrem Trainer Thomas Meyer längst einen ausgezeichneten Ruf in Rinteln erworben haben. Bis im September die neuen Wettkämpfe beginnen, wird Konstantin seinen Trainerschein gemacht haben,um an die Jüngeren weiterzugeben, was ihn selbst so stark gemacht hat.
Im alltäglichen Leben ist der junge Boxer übrigens Fahrzeuglackierer, er hat eine Freundin und trifft sich an den Wochenenden mit seinen Freunden. "Ich lebe ja mehr als mein halbes Leben hier", sagt er. "Ich habe mich sehr gut angepasst."
Berufsboxer will er gar nicht werden. "Aber irgendwann nicht mehr zu trainieren - das kann ich mirüberhaupt nicht vorstellen!"