Live-Hörspiel motiviert zu anderen Denkweisen für die Demokratie
Atemlose Spannung
HAMELN. „Wir beschäftigen uns mit der Gegenwart, schauen aber in die Vergangenheit“, so leitet der Schauspieler Thomas Darchinger seine Lesung aus Solly Ganors Autobiographie „Das andere Leben“ ein.
Anzeige
Das Forum der Elisabeth-Selbert-Schule ist gefüllt mit Jugendlichen aus dem Jahrgang 11 des beruflichen Gymnasiums und der Fachoberschule. Solly Ganor, der als litauischer Jude von den Nazis gemeinsam mit seinem Vater in die Konzentrationslager verschleppt wurde, war damals im Alter der jungen Menschen heute, und daher wirkt seine Geschichte intensiv und authentisch für diese Generation.
Thomas Darchinger, der mit seiner vollen und dramatischen Theaterstimme die Ich-Erzählung in allen Facetten von Leid, Elend und Todesangst vorträgt, wird von Wolfgang Lackerschmid auf dem Vibraphon begleitet. Dieses Live-Hörspiel aus Musik und Wort fesselte die Zuhörer in tiefer Ergriffenheit. Emotionsgeladene Schilderungen von brutaler Schikane, willkürlichen Morden und der Banalität des Bösen, lassen das Forum in atemloser Spannung verstummen. Es gelingt den beiden Künstlern, das kalte Grauen der unfassbaren Verbrechen des Nationalsozialismus in klaren, persönlichen Worten begreiflich zu machen.
Von der Entwürdigung des Vaters über die Ermordung des Lehrers und dem Einbetonieren bei lebendigen Leib des Freundes begleiten die Schüler den jungen und unschuldigen Solly Ganor durch diese nicht enden wollende Hölle, bis schließlich die Worte „You are free, kid“ eines amerikanischen Soldaten, der dem Jungen, der seinen Namen fast vergessen hat und nur noch seine KZ-Nummer nennen kann, die Freiheit und eine Tafel Schokolade schenkt, das Ende des Grauens einleiten.
Das Live-Hörstück „Das andere Leben“ gesprochen von Thomas Darchinger wurde musikalisch untermauert am Vibraphon von Wolfgang Lackerschmid. Die Elisabeth-Selbert-Schüler waren sehr ergriffen von der Autobiografie von Solly Ganor. FOTO: Anja Schmidt/PR
Foto: DIALOG
Betroffene Stille und verhaltener Beifall zeigen die Tiefe der Emotionen bei den Zuhörern und die Künstler lassen es sich nicht nehmen, einen brennenden Appell an das gesellschaftlich-politische Gewissen der Schüler zu richten.
Demokratie sei nicht perfekt und kein Geschenk zum Konsumieren, im Gegenteil: Demokratie sei nur dann möglich, wenn alle sie mitgestalten, verteidigen und schützen.
Das Zauberwort sei Kommunikation, nur, wer anderen Menschen mit anderen Meinungen zuhöre, könne aktive Demokratie leben.
„Wir brauchen andere Denkweisen! Je anderer der Nächste ist, seid umso neugieriger auf ihn“, schließt Thomas Parchinger seinen Aufruf ab. „Denn der Andere hat andere Antworten. Seid aktiv!“ Auch Elisabeth-Selbert-Schulleiterin Gisela Grimme appellierte an die Jugendlichen, sich für die weitere Erhaltung der Demokratie einzusetzen und verabschiedete nachdenkliche und tief bewegte Jugendliche in den Nachmittag.