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Erinnerungen an die Gebietsreform

Als Dörfer ein Teil der Stadt Hameln wurden

Hameln (CK). Der 1. Januar 1973 war für viele Bürger rund um Hameln ein einschneidendes Datum: Ihre Dörfer verloren ihre Eigenständigkeit und wurden zu Ortsteilen der großen Stadt Hameln. Ob in Klein Berkel oder Afferde, in Tündern oder Hilligsfeld: Die Bewohner sahen die von der damaligen Landesregierung angeschobene Gebiets- und Verwaltungsreform mit gemischten Gefühlen. Viele fürchteten, in der Kreisstadt einfach unterzugehen. Doch wie war das tatsächlich vor 36 Jahren?

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Hameln (CK). Der 1. Januar 1973 war für viele Bürger rund um Hameln ein einschneidendes Datum: Ihre Dörfer verloren ihre Eigenständigkeit und wurden zu Ortsteilen der großen Stadt Hameln. Ob in Klein Berkel oder Afferde, in Tündern oder Hilligsfeld: Die Bewohner sahen die von der damaligen Landesregierung angeschobene Gebiets- und Verwaltungsreform mit gemischten Gefühlen. Viele fürchteten, in der Kreisstadt einfach unterzugehen. Doch wie war das tatsächlich vor 36 Jahren?

Das Hamelner Museum will auf diese Frage Antworten geben und sucht deshalb für eine besondere Ausstellung Zeitzeugen, die sich noch erinnern können an die Konsequenzen von damals und vielleicht sogar Erinnerungsstücke, vor allem Fotos, aufbewahrt haben.

Zuständig für das Zustandekommen ist Arne Butt. Der 34-Jährige ist promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hamelner Museums und hat als solcher bereits Kontakt mit den einzelnen Ortsräten aufgenommen. Er kümmert sich zwar komplett um das 20. Jahrhundert, glaubt aber, dass die Gebietsreform für die Wahrnehmung des Museums ein kleiner und doch wichtiger Ausschnitt ist. „Bei den bisherigen Ausstellungen haben die Hamelner Ortsteile nie eine Rolle gespielt“, sagt er. Dennoch habe sich die Stadt mit der Eingemeindung stark verändert, und das nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Einwohnerzahl von rund 50- auf dann über 60 000 gewachsen sei. Butt: „Nur in der Kernstadt selbst hat man das nie so wahrgenommen.“

„Große Lösung“ war nicht zu vermeiden

Der 34-Jährige weiß inzwischen um die früheren Befürchtungen der Dorfbewohner, als „Randstadt“ zu enden und ihre Eigenständigkeit und damit auch an Bedeutung zu verlieren. Die meisten allerdings hätten gewusst, dass eine sogenannte „große Lösung“ und „Effizienz“ in der Verwaltung nicht zu vermeiden gewesen sei. Dabei kann Butt die Meinungsbildung auf Verwaltungsebene durch Dokumente noch ganz gut nachvollziehen – was ihm fehlt, ist der Blick der Bevölkerung, des einfachen Bürgers, auf die von oben verordnete Reform. „Wir wissen relativ wenig über die Gegner dieser Reform und ihre Proteste, deswegen sind wir auf Zeitdokumente angewiesen“, sagt er.

Wie haben die Gegner der Reform reagiert?

Was auch dem Museumsmitarbeiter inzwischen bekannt ist: Afferde beispielsweise versuchte lange, eine Einheitsgemeinde zu bilden mit Hastenbeck, Klein- und Groß Hilligsfeld und mehreren Orten in Richtung Coppenbrügge. „Das war ein schwieriges Unterfangen, weil das Land bereits andere Zuordnungen getroffen hatte. Und da Afferde aufgrund seines Gewerbesteueraufkommens damals als reiche Gemeinde galt, fürchteten nicht wenige, sich bei einer Eingemeindung schlechter zu stellen.

In Tündern hatte es als einzigem der heutigen Ortsteile eine richtige Bürgerbefragung gegeben. Butt: „Denen war schon klar, dass sie nicht eigenständig bleiben konnten, aber Tündern versuchte, mit Voremberg und Hastenbeck eine Einheitsgemeinde zu bilden oder aber sich Emmerthal anzuschließen.“ Ohne Erfolg, wie die Geschichte zeigt. Und in Klein Berkel war der Protest so stark, dass Unbekannte sogar Plakate aufhängten mit einer „Warnung an die Reformer“ und der trotzigen Behauptung „Wir lassen uns nicht verrohrsen.“ Gemeint war damals Rohrsen, das bereits in den 20er-Jahren Hameln zugeschlagen worden war.

Was das Museum jetzt interessiert, ist die Reaktion der Bürger von damals. „Was änderte sich für die Feuerwehren. Sind reihenweise wegen der Doppelung Straßen umbenannt worden und wie wurde das gemacht? Hat etwa jemand fotografiert, wie das alte Ortsschild abmontiert wurde? Diese und viele andere Fragen hofft Butt mit seinem Aufruf zum klären, wobei es ihm auch um Antwort auf die Frage geht, was die Orte machten, die ihre Selbstständigkeit an Hameln verloren, etwa, ob sie sich vermehrt auf das dörfliche Leben konzentrierten.

Museum sucht Zeitdokumente

Nach einem ersten Gespräch im Juni mit den Ortsbürgermeistern hofft Butt jedenfalls, dass sich möglichst viele beim Museum melden, die zur Erhellung dieser Zeit beitragen können. Die Wunden, die die Reform damals ohne Zweifel geschlagen hat und die in den größeren Dörfern größer waren als in den kleinen, sind seiner Meinung nach fast vollständig verheilt, zumindest bei denen, die heute politisch tätig sind. Und die Frage, welche Vor- und welche Nachteile die Dörfer durch die Gebietsreform gehabt haben, nennt er „allenfalls hypothetisch“.

Zeitzeugen, die zur Ausstellung mit Exponaten, vor allem mit Erinnerungen und Fotos, beitragen möchten, können sich an das Hamelner Museum wenden (Telefon: 05151/20011216 oder als E-Mail unter museum@hameln.de.

Am 17. September 1971 protestierten Klein Berkeler gegen den Anschluss an Hameln.

Quelle: Dewezet

Wie war das damals – vor der Gebietsreform? Arne Butt vom Hamelner Museum hält ein Schild aus der Vergangenheit Afferdes hoch. Heute ist Afferde ein Ortsteil der Rattenfängerstadt. Das Museum sucht für eine Ausstellung Dokumente jeder Art aus der Zeit der Eingemeindung.

Foto: Wal




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