Warum Kindertagespflege und Kita nur schwer vergleichbar sind
BAD MÜNDER. Über Kindertagespflege ist in Bad Münder in den vergangenen zwei Wochen viel gestritten worden. Dabei wurde deutlich: Nicht alle, die sich engagiert in die Diskussion einbringen, wissen um die Regelungen und Vorgaben, die die Kindertagespflege in Teilen sogar deutlich von der Betreuung in Einrichtungen abgrenzen. Redakteur Jens Rathmann hat mit Kirsten Paasch vom Niedersächsischen Kindertagespflegebüro über die zentralen Unterschiede gesprochen.
Anzeige
Frau Paasch, was sollte man unbedingt über Kindertagespflege wissen?
Kindertagespflege ist eine individuelle Betreuungsform, die sich sehr familiennah zeigt und bei der das Hauptaugenmerk auf der personenbezogenen Betreuung liegt. Es gibt eine feste Zuordnung der Kinder. Bei Kindertagespflege handelt es sich nicht um eine Einrichtung, sondern um Betreuung in Kindertagespflege. Das Hauptaugenmerk liegt dabei – und nur dann wird auch eine Erlaubnis zur Kindertagespflege erteilt – darauf, dass eine Person eine bestimmte Anzahl von nicht eigenen Kindern, maximal fünf, betreuen darf.
Es gibt aber auch die Kindertagespflege in etwas größerem Verbund? In Großtagespflegestellen?
Foto: DIALOG
Es besteht auch die Möglichkeit, dass zwei oder auch drei Kindertagespflegepersonen zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit darf aber maximal die Betreuung von acht Kindern, in bestimmten Ausnahmefällen zehn Kindern, umfassen. Auch bei der Zusammenarbeit von einzelnen Kindertagespflegepersonen darf die persönliche vertragliche Zuordnung der Kinder zu einer Kindertagespflegeperson nicht aufgehoben werden. Das ist der Hauptunterschied, durch den sich die Kindertagespflege von der Betreuung in einer institutionellen Einrichtung wie einer Krippe, einer Kleinkindertagesstätte oder Ähnlichem abgrenzt. Ein weiterer ist die Qualifizierung, die in Einrichtungen und Kindertagespflege vorausgesetzt wird.
Haben Sie ein Beispiel?
In der Krippe kann auch die Erzieherin aus der Igelgruppe die Kinder aus der Mäusegruppe betreuen. Da dürfen auch Gruppen zusammengelegt werden. Das darf in der Kindertagespflege nicht geschehen, weil wir eben nicht von einer Einrichtung oder einer Gruppe sprechen – wir reden hier von einer Person, die Verträge mit den Eltern gemacht hat, dass sie diese Kinder betreut.
Und im Krankheits- oder Urlaubsfall?
Dann gibt es in der Kindertagespflege die Möglichkeit, sich gegenseitig zu vertreten – aber auch dann darf die allerhöchste Zulassung, also die Betreuung von maximal fünf Kindern durch eine Person, nicht überschritten werden. Vertretungsregelungen müssen zudem in den Verträgen mit den Eltern geregelt sein. Das heißt ganz konkret: Wenn eine von zwei Kindertagespflegepersonen in der Zusammenarbeit ausfällt, die beiden regulär zusammen acht Kinder betreuen, dann darf die verbleibende Kindertagespflegeperson – so sie eine Erlaubnis für fünf Kinder hat – nur fünf Kinder betreuen Die anderen drei Kinder müssen dann durch ihre Eltern betreut werden. Ganz deutlich: Eine Kindertagespflegeperson darf niemals mehr als fünf Kinder zeitgleich betreuen.
Keine andere Alternative?
Doch, wenn es eine Vertretungskraft gibt. Aber auch da muss vorher festgelegt sein, dass die Vertretungskraft für diese Kinder und diesen Ort tätig sein darf. In der Regel ist diese Vertretungskraft dann allen anwesenden Kindern zugeordnet. Nach der neuen Gesetzeslage dürfen auch nicht mehr als acht Kinder betreut werden, wenn drei anwesende Kinder jünger als zwei Jahre sind. Mehr Kinder dürfen sich dann auch nicht in den Räumen aufhalten.
Das gilt auch, wenn es sich bei den Kindertagespflegepersonen um besonders ausgebildetes Personal, also beispielsweise pädagogische Fachkräfte handelt?
Auch bei pädagogischen Fachkräften in der Kindertagespflege muss der Altersschlüssel gewahrt werden. Es gibt da im Moment noch Ausnahmen, weil eine Übergangsfrist gilt. Es besteht ein Bestandsschutz für die Großtagespflegestellen, die schon vor dem 31. Juli 2021 bestanden. Fakt ist aber auch da, dass jemand nur als Kindertagespflegeperson tätig werden darf, wenn eine Erlaubnis zur Kindertagespflege vorliegt.
Wie ist das definiert?
Die bundesweit geltenden gesetzlichen Regelungen zur Kindertagespflege finden sich im Sozialgesetzbuch VIII. Eine Erlaubnis zur Kindertagespflege muss immer dann vorliegen, wenn regelmäßig länger als drei Monate mehr als 15 Stunden Kinder außerhalb des Haushalts der Eltern betreut werden. Dann muss die Kindertagespflegeperson eine Grundqualifikation durchlaufen haben. Eine fachliche Begleitung sowie die regelmäßige Fort- und Weiterbildung müssen gewährleistet sein.
Und warum dieser strenge Rahmen?
Die Kindertagespflege hat, wie auch Kindertagesstätten und andere Einrichtungen, einen Bildungsauftrag. Der ist ebenso im Niedersächsischen Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege verankert wie im Sozialgesetzbuch Acht. Um diesen Bildungsauftrag erfüllen zu können, bedarf es einer Grundqualifikation und einer regelmäßigen Fortbildung.
Aktuell ist in Großtagespflegestellen in Bad Münder die Frage nach Vertretungsregelungen entbrannt. Wie ordnen Sie das ein?
Eine Stellungnahme ist hier nicht möglich. Die Vertretungsregelungen sind kommunal unterschiedlich geregelt.
Bleiben wir also beim Grundsätzlichen. Wo sehen Sie da Schwierigkeiten?
Die Herausforderung für die Kommunen ist es, für die unterschiedlichen Profile die passenden Vertretungsmodelle zu finden.
Ein Problem ist, dass es auf ganzer Linie derzeit Fachkräftemängel gibt, auch Kitas zum Teil geschlossen werden müssen, weil Fachkräfte nicht zur Verfügung stehen.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wo sehen Sie die Vorteile der Kindertagespflege?
Die Vorteile der Kindertagespflege liegen in der kleinen Gruppe und der persönlichen Zuordnung der Kinder zu einer bestimmten Kindertagespflegeperson. Die persönliche Zuordnung einer Fachkraft ist auch wirklich so zu verstehen, dass diese Fachkraft das Kind wickelt, füttert und andere enge pflegerische Aufgaben übernimmt sowie das Kind morgens in Empfang nimmt, es verabschiedet und die Elternkontakte pflegt. Für die Eltern ist die Möglichkeit der flexiblen Betreuungszeiten ein Vorteil. In meinen Augen macht die Form der Betreuung es gerade auch für so kleine Kinder unter drei Jahren noch einmal einfacher, sich in eine Fremdbetreuung einzugewöhnen. Ganz persönlich glaube ich auch, dass es deutlich besser für die Entwicklung der Kinder ist, in kleineren Gruppen und mit persönlicher Bindung betreut zu werden.
Kindertagespflege wird vom Niedersächsischen Kultusministerium als wichtiges Angebot für die Bildung und Erziehung von Kindern im Elementarbereich des Bildungssystems gesehen. Für die Beratung und Begleitung der pädagogischen Fachkräfte, die im Auftrag von Jugendämtern und freien Trägern in der Kindertagespflege tätig sind, hat das Ministerium das Niedersächsische Kindertagespflegebüro eingesetzt. Die Mitarbeiterinnen des Büros mit Sitz in Göttingen, teilweise seit vielen Jahren mit der Kindertagespflege befasst, stellen ein umfangreiches Informations-, Beratungs- und Fortbildungsangebot zur Verfügung. Es reicht vom Basiswissen in der Kindertagespflege bis hin zu spezielleren Fragen wie Vertretungsmodellen.