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Bad Münder

Verwaltungsgericht: Schließung von Haus Krümelkids "zwingend erforderlich"

Die sofortige Untersagung des Betriebs der Großtagespflegestellen im Haus „Krümelkids“ war „zwingend erforderlich“. Das hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover am Dienstag in einer mehrstündigen Sitzung in Bad Münder entschieden. Der Landkreis hatte die Schließung Anfang Februar verfügt - und gerät ebenfalls in die Kritik.

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Jens Rathmann Redakteur zur Autorenseite
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Zu entscheiden hatte die Kammer über die Klage von Steffi Rodewald, unter deren Regie im Haus Krümelkids die drei Großtagespflegestellen arbeiteten, in denen wiederum 26 Kinder betreut wurden. Der Landkreis hatte am 6. Februar Rodewald mit sofortiger Wirkung die Pflegeerlaubnis entzogen und ihr gleichzeitig untersagt, die Kinderbetreuung durch weisungsgebundene Betreuungskräfte ausführen zu lassen.

Gericht: Rodewald als Tagespflegeperson nicht geeignet

Dagegen hatte Rodewald geklagt und mit ihrem Rechtsanwalt Roman von Alvensleben eine Eilentscheidung angestrengt. Doch die Klage wurde nun abgewiesen – Richter Burkhard Lange machte in der Urteilsbegründung deutlich, dass die Kammer – besetzt mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern – Steffi Rodewald als Tagespflegeperson für nicht geeignet hält.

„Erstens, weil sie die dafür erforderliche Zuverlässigkeit aus Sicht der Kammer faktisch nicht besitzt. Hier lag ein Einrichtungsbetrieb vor, den die Klägerin in seiner strukturellen Ausrichtung zu verantworten hatte. Dadurch hat sie gezeigt, dass sie nicht bereit ist, den Rechtsrahmen für Kindertagespflege einzuhalten“, so der Vorsitzende. Er ging in der Urteilsbegründung auch auf Vorkommnisse ein, die das Gericht zuvor in fast sechs Stunden herausgearbeitet hatte.

Start schon am Mittag - gut sechs Stunden verhandelt

Bereits um 12.50 Uhr hatte Lange die mündliche Verhandlung in einem für ein Gericht höchst ungewöhnlichen Ort eröffnet: Im Haus Krümelkids an der münderschen Bahnhofstraße. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Komplexes der Astrid-Lindgren-Schule sind die Großtagespflegestellen – erst zwei, später drei, untergebracht.

Lange und seine Kammer-Kollegen ließen sich die Räume beim Ortstermin ausführlich vorstellen, stellen Fragen zur Ausstattung, zum Alltag und zur Nutzung, besichtigten Toilettenräume ebenso wie das Außengelände, Schlafräume ebenso wie Raume im Obergeschoss, die nicht Teil der Großtagespflegestellen sind.

Neben den Mitgliedern der Kammer, Justiz-Mitarbeitern und einer größeren Zahl Landkreis-Mitarbeiter aus dem Bereich Jugendamt und Dezernatsleiterin Heidi Pomowski waren auch Steffi Rodewald mit ihrem Mann und bei ihr angestellte Kindertagespflegepersonen und einige Eltern anwesend – außerdem Medienvertreter, denn die Auseinandersetzung um die Schließung der Großtagespflegestellen und ihre Auswirkungen auf die betroffenen Familien hatten über den Landkreis hinaus für Aufsehen gesorgt.

Darum verhandelte das Gericht in Bad Münder

Die Bedeutung der Schließung für die Eltern vor Ort und auch das große Interesse am Fortgang des Verfahrens hatten Lange und seine Kollegen, das betonte der Vorsitzende, bewogen, die Verhandlung fernab des Fachgerichtszentrums Hannover zu führen und sich vor Ort ein Bild von den Begebenheiten zu machten.

Dadurch habe sich auch die Möglichkeit ergeben, der Mehrzahl der Zeugen, der sonstigen Verfahrensbeteiligten und Zuhörer die Fahrt nach Hannover zu ersparen.

Verhandelt wurde im Martin-Schmidt-Konzertsaal, den die Stadt eigens dafür zur Verfügung gestellt hatte. Ein Novum für die Kammer, erklärte Lange – um dann einen Teil der im Zuhörerraum Versammelten gleich wieder vor die Tür zu bitten: Die als Zeugen zu vernehmenden Mitarbeiterinnen und Elternvertreter durften der Verhandlung nicht im Saal beiwohnen, mussten in einem Nebenraum in Begleitung eines Wachtmeisters warten.

Arbeitsstunden passten nicht zu Betreuungszeiten

Im Saal stand dann zunächst die Zusammenfassung des Sachverhalts im Mittelpunkt, schon dabei wurde deutlich: Das Gericht hatte sich im vergangenen Monat intensiv mit der Vorgeschichte beschäftigt, Unterlagen zu Pflegeerlaubnissen und Genehmigungen gesichtet, vorherige Gerichtsentscheidungen zum Rechtsstreit der Stadt mit der Landesschulbehörde im Zusammenhang mit den münderschen Großtagespflegestellen gelesen und eingeordnet.

Und schließlich auch die Akten des Landkreises, Verträge des Jugendamtes mit Steffi Rodewald und von Eltern mit Tagespflegepersonen unter die Lupe genommen.

Kritik auch am Gesetz

Und das genau, denn Lange konfrontierte Rodewald mit in Arbeitsverträgen vereinbarten Wochenarbeitszeiten, die sich teils deutlich von den mit den Eltern vereinbarten Betreuungszeiten der Kinder unterschieden. Auf Nachfrage musste Rodewald einräumen, dass die Betreuung durch andere Tagespflegepersonen, die den Kindern nicht zugeordnet waren, häufiger vorkam.

Die Kammer führte lange zum Begriff der „Eignung“ aus, die für Kindertagespflegepersonen elementare Voraussetzung sei – dazu gehöre neben Persönlichkeit auch Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft. Und das Gericht ging auf Unterscheidungskriterien ein, die eine Einrichtung – wie etwa eine Krippe oder eine Kindertagesstätte – von einer Großtagespflegestelle abgrenze. Dabei sieht der Vorsitzende auch den niedersächsischen Landesgesetzgeber in der Pflicht, es bestehe Regelungsbedarf: „Der Landesgesetzgeber hat seine Hausaufgaben an dieser Stelle nicht gemacht.“ Lange betonte aber auch, dass der Betrieb einer Einrichtung ohne Erlaubnis sogar strafbar sein könne – und nach Auffassung der Kammer handle es sich bei dem Konstrukt unter dem Dach des Hauses Krümelkids eben ausdrücklich um eine Einrichtung.

Abgeschlossene Fluchttür entdeckt

In der Urteilsbegründung ging Lange auf einige Punkte gesondert ein: Die Beaufsichtigung des Kindes Wilma, etwas älter als ein Jahr, durch Rodewalds Tochter für einen Zeitraum von mindestens einer halben Stunde. Eine abgeschlossene Fluchttür. Nachgewiesene Überbelegungen im Betreuungsschlüssel zum Zeitpunkt der beiden Kontrolltage im Dezember und im Januar.

All das reichte für die Kammer letztlich aus. Der Vorsitzende stellte dabei heraus, dass in einem Fall der Überbelegung der Ausfall von Betreuungskräften vorhersehbar gewesen sei – und in diesem Fall hätte Rodewald handeln müssen. Lange machte deutlich: „Entweder, indem ich ein Betreuungssetting organisiere, das nicht zu einer Überbelegung führt. Oder aber ich die Verantwortung dahin gebe, wo sie hingehört, nämlich zum Jugendamt. Gegenüber den Eltern muss man sich dann abgrenzen und erklären, dass die Betreuung des Kindes aus rechtlicher Sicht nicht sichergestellt werden kann.“ Das klinge abstrakt, das wisse er, so Richter Lange. Aber man könne es sich als Kindertagespflegeperson nicht aussuchen, ob man ein rechtswidriges Betreuungssetting organisiere oder sage, dass man das Kind nicht betreuen könne.

"Desolate Aktenführung" des Landkreises

Die Kammer habe darin einen „schwerwiegenden Eignungsmangel“ erkannt. „So bitter das ist für die Familien: So, wie es da war, durfte es nicht weitergehen.“

Er ging auch auf die Rolle des Landkreises ein, dessen „desolate Aktenführung“ er bereits im Vorfeld kritisiert hatte.

„Dass man das vielleicht alles viel früher auch vonseiten des Landkreises in einem viel besseren Verfahren hätte in den Griff bekommen können, das ist wahrscheinlich sogar naheliegend. Es wäre zu dieser Entscheidung, die wir jetzt treffen mussten, nicht gekommen, wenn das alles früher angegangen worden wäre – auch vonseiten des Jugendamtes. Viel früher. Viel konsequenter.“




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