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Landkreis schließt "Haus Krümelkids"

Tagespflege geschlossen: Gibt es genug neue Plätze für die Kinder?

Am Montag hatte der Landkreis Hameln-Pyrmont die Kindertagespflege "Haus Krümelkids" mit drei Gruppen geschlossen; 26 Kinder sind betroffen. Eltern beklagen, ohne Betreuung dazustehen - doch die Behörde rechnet vor: Theoretisch sind genug Plätze da.

lkbm Redaktion Christian Zett  jhr_4H2A7450

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Christian Zett Redaktionsleiter zur Autorenseite
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An einem Tag war die Betreuung ihrer Kinder gesichert - am nächsten Tag standen Eltern von 26 Mädchen und Jungen vor dem Nichts: Die plötzliche Schließung von "Haus Krümelkids" in Bad Münder erinnerte zumindest in ihrer Kurzfristigkeit an die Kita-Schließungen in der Coronazeit. Der Landkreis hatte Betreiberin Steffi Rodewald und den Eltern die Nachricht am Montag überbracht, am Dienstag war dann der erste Schließtag.

Seitdem kämpft Rodewald um die Pflegeerlaubnis, die der Landkreis ihr und ihrem Mann entzogen hatte. Rodewald kündigte bereits an, gegen die Schließung juristisch vorzugehen; Anwalt Roman von Alvensleben aus Hameln arbeitet bereits an dem Fall. 

Anwalt: Schließung rechtlich angreifbar

Er hält die behördliche Maßnahme für nicht verhältnismäßig. Schließlich gehe es hier auch um die Rechte von 26 betroffenen Familien. Und der Sofortvollzug sei aus seiner Sicht rechtlich angreifbar. Er werde nun eine Klage gegen den Landkreis vorbereiten. Eltern hätten sich schon bei ihm erkundigt, ob eine Sammelklage sinnvoll sei, so von Alvensleben.

Die Vorwürfe, die der Landkreis gegen Rodewalds erhebt: In den Räumen am Justus-von-Liebig-Weg 1, in denen das Ehepaar drei formell getrennte sogenannte Großtagespflegen betrieb, seien gleich mehrere Verstöße aufgetreten, das Kindeswohl sei gefährdet.

Im Kern geht es um Personalfragen, um Probleme, die Steffi Rodewald teils auch einräumt: Weil Mitarbeiterinnen durch Kündigung oder Krankheit ausfielen und Verschiebungen zwischen den Tagespflege-Gruppen nicht erlaubt sind, sprangen offenbar teils Eltern ein, um Lücken zu stopfen und den Betrieb aufrechtzuerhalten. Aus Sicht des Landkreises arbeiteten damit unqualifizierte Personen in der Einrichtung - das ist nicht zulässig.

Ein weiterer Vorwurf: Rodewalds 15-jährige Tochter habe sich während der jüngsten Jugendamt-Kontrolle um ein gerade aufgewachtes Kleinkind gekümmert, sei mit ihm im oberen Stockwerk auf Toilette gegangen. Beides ebenfalls unzulässig: Denn die Tochter ist minderjährig und ebenfalls nicht qualifziert; oben dürfen außerdem keine Kinder betreut werden.

Vater: Angebote passen nicht zur Lebenssituation

Dazu kommen offenbar diverse Auseinandersetzungen zwischen Rodewald und Landkreis, das Vertrauensverhältnis sei nicht gewährleistet, teilte die Behörde mit.

Noch unter der Woche hieß es aus den Reihen der Eltern, viele wüssten noch nicht, wie es mit der Betreuung ihrer Kinder weitergehen soll. Zwar gab es Gespräche mit Mitarbeitern des Jugendamtes, bei denen es um die Vermittlung alternativer Betreuungsplätze ging. Doch in einer ohnehin bestehenden Mangelsituation, was die Versorgung mit Krippenplätzen anbelangt, sind individuelle Lösungen offenbar nicht so schnell zu finden. Ein Vater berichtet, die Angebote passten nicht zur Lebenssituation seiner Familie.

Haus Krümelkids bei Facebook

Ebenfalls unklar ist, wie es für die Angestellten, sechs Tagespflegepersonen und drei Reinigungskräfte, weitergeht. Formal seien sie weiterhin in der Großtagespflege beschäftigt, sagt Rodewald. Doch da die Einrichtung geschlossen wurde, komme kein Geld rein und sie wisse nicht, wie sie die nächsten Gehälter bezahlen solle.

Doch während bei den Eltern weiter Unsicherheit herrscht, klingen die Zahlen des Landkreises Hameln-Pyrmont nach einer großen Auswahl: Laut Sprecherin Sandra Lummitsch hätten sich 15 der 18 betroffenen Familien aus dem Landkreis beim Jugendamt gemeldet - genau wie drei der acht Familien aus dem Landkreis Schaumburg und der Region Hannover.

Insgesamt, sagt Lummitsch, könne man allein 19 Betreuungsplätze bei anderen Kindertagespflege-Einrichtungen anbieten. Dazu kämen 15 Plätze in Kindertagesstätten, die die Stadt Bad Münder angeboten habe. Macht einerseits 34 Plätze für 26 Familien.

Elf Familien anderweitig untergebracht

Andererseits ist alles andere als klar, wie gut die Plätze tatsächlich passen: Wie weit ist die neue Kita, die neue Tagespflege vom Wohnort entfernt? Passen die Betreuungszeiten? Beziehungsweise: Lassen sich etwa Arbeitszeiten und andere Verpflichtungen so schnell auf die neue Lage umorganisieren?

Tatsächlich habe man, sagt Lummitsch, Stand Freitagnachmittag acht der 26 Kinder in anderen Tagespflege-Einrichtungen untergebracht und drei in Kitas - macht elf versorgte Familien.

Kurios: Einige der Tagespflege-Personen, die einspringen wollten, hätten mitgeteilt, dass Familien den neuen Betreuungsplatz wieder abgesagt hätten, da sie ihn nun doch nicht benötigten. Andere setzen offenbar auf den Erfolg der juristischen Auseinandersetzung: Sie hätten mitgeteilt, dass sie nur einen Betreuungsplatz zur Überbrückung“ benötigen, bis das "Haus Krümelkids" wieder aufmache.

Mission "Runder Tisch" schwierig

Der Umstand, dass selbst die rechnerisch ausreichenden freien Plätze das Problem nicht lösen könnten, macht Thorsten Bunds Mission um so schwieriger: Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Soziales in Bad Münder und Mitglied der CDU-Kreistagsfraktion will einen Runden Tisch einberufen, um mit Landkreis, "Krümelkids"-Förderverein und Betreuungskräften Alternativen für die Betreuung zu finden.

Es gelte nun zu prüfen, über welche Möglichkeiten die Stadt oder auch der Landkreis verfügen, so Bund. Die Antwort könnte lauten: Möglicherweise zwar über mehr als genug. Aber nicht über die passenden.

(mit Jens Spickermann)




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