SPD: Kriegerdenkmal in Bad Münder „heroisierend und gewaltverherrlichend“ – Gedenktafel gefordert
Ist ein Stück historischer Erinnerungskultur? Oder aus der Zeit gefallen, gar „gewaltverherrlichend“? So zumindest beschreibt die SPD in Bad Münder das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof. Und will Denkmal und Aufschrift („Unsere Helden“) endlich mit einer kritischen Infotafel einordnen.
Der Soldat stützt sich auf ein riesiges Schwert, man sieht seinen nackten muskulösen Oberkörper. Über seinem behelmten Kopf prangt die Inschrift „Unseren Helden“. Das gut fünf Meter hohe Kriegerdenkmal auf dem münderschen Friedhof ist inzwischen 101 Jahre alt, erinnert an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Bad Münder – mehr als 120 Männer. Doch was nach dem Ersten Weltkrieg offenbar angemessen erschien und nach dem Zweiten Weltkrieg mit zusätzlichen Stelen erweitert wurde, wirkt mit zehn Jahrzehnten Abstand auf viele Münderaner überholt, gar überzogen. Eine Debatte, wie man mit dem Denkmal umgeht, wogt seit Jahren – und wird nun wieder angestoßen von der SPD.
Ein vehementer Kritiker des aktuellen Zustands ist Pastor Dietmar Adler von der Petri-Pauli-Gemeinde: Als er 1990 das Denkmal zum ersten Mal sah, habe er es als „gruselig, gewaltverherrlichend, auch in seiner Symbolik erschütternd“ wahrgenommen, sagte er im Juli 2021 bei einer Diskussionsveranstaltung. Statt für die Trauer habe man sich hier dafür entschieden, die Toten als Helden zu verehren. Kurz darauf befasste sich Adler auch in einem längeren Text im Gemeindebrief mit dem Denkmal.
Adler: Denkmal als Steilvorlage für Nazis
„Hier wird Trauer nicht thematisiert. Stattdessen versucht man, dem Tod der Gefallenen einen anderen Sinn zu geben. Die Aufschrift vereinnahmt sie als Helden. Und das Schwert lässt auch an Vergeltungs- und Rachephantasien angesichts der Niederlage und dem von Deutschen als Schmach empfundenen Versailler Frieden denken. Eine Steilvorlage für die später daran anknüpfenden Nationalsozialisten“, schrieb Adler. Und weiter: Welches Leid der Krieg über die Menschen gebracht hat, wird nicht thematisiert. Tod, Verstümmelung, Trauer werden weggeblendet.“ Ziel müsse es sein, die kriegerische Botschaft des Denkmals zu einer friedliebenden umzuwandeln, forderte Adler.
Foto: DIALOG
Doch die sowohl 2020 als auch 2021 angeschobenen Pläne, mit einem Arbeitskreis eine Lösung für das Denkmal zu erarbeiten, brachten bislang keine messbaren Ergebnisse. Jetzt will die SPD im Ortsrat Bad Münder endlich Fakten schaffen: In einem Antrag, den die Politik am Mittwoch (19 Uhr, Foyer Martin-Schmidt-Saal) im Ortsrat diskutiert, wollen die Sozialdemokraten die Anschaffung einer Infotafel beschließen lassen. Aus SPD-Sicht ist das von Steinmetzmeister Hans Balkow geschaffene Denkmal „heroisierend und gewaltverherrlichend“ – und bedürfe dringend einer historischen Einordnung vor Ort.
Arbeitskreis „zurzeit eher inaktiv“
Fraktionschefin Adrina Sommer schreibt, das Denkmal entspreche ohne diese Einordnung „nicht mehr der heutigen Ansicht einer reflektierten Gedenkkultur“. Dieser große Konsens von Historikern, Stadt und Politik habe sich auch in besagtem Arbeitskreis niedergeschlagen: „Jedoch konnten bisher keine ersichtlichen Umsetzungen des Arbeitskreises – sicherlich auch der Corona-Pandemie geschuldet – verzeichnet werden“, bedauert Sommer. Der Arbeitskreis sei gar „zurzeit eher inaktiv“.
Umso mehr wolle man nun auf die „zeitnahe Anschaffung einer Informationstafel“ drängen, heißt es bei den Sozialdemokraten. Um den Prozess abzukürzen, habe man den münderschen Historiker und Museumschef Kai Witthinrich um den Entwurf eines Textes für die Tafel gebebeten – ausdrücklich als „Diskussionsgrundlage“. Witthinrich hatte 2021 auch die Diskussionsrunde rund um das Denkmal moderiert – und die Alleinstellung des Bauwerks diplomatisch unterstrichen: „Im Vergleich zu anderen Denkmälern ist das auf dem münderschen Friedhof schon etwas Besonderes.“
„Uns ist eine solche Bildersprache heute fremd“
In dem Text-Vorschlag geht Wiithinrich unter anderem auf die Situation ein, in der das Denkmal entstand: So lagen die gefallenen Münderaner meist in Frankreich bestattet – „und ihre Angehörigen durften bis 1926 die dortigen Soldatenfriedhöfe nicht besuchen.“ So habe man sich stattdessen mit zentralen Gedenkstellen geholfen. Der Text beschreibt das Denkmal selbst – und ordnet seine Sprache von Heldentum und Vergeltungswunsch ein: „Uns ist eine solche Bildersprache heute fremd. Wir wissen, dass Kriege das Ergebnis falscher Politik sind und keine Helden hervorbringen, sondern unzählige, auch zivile Opfer fordern und unermessliches Leid bei allen Beteiligten hinterlassen. Wir betrachten dieses Denkmal daher heute als Mahnung für Frieden und Verständigung, Demokratie und Menschenrechte“.
Der Ansatz, Denkmäler so einzuordnen anstatt sie im Nachhinein abzubauen, gilt in Historikerkreisen heute als einer der bevorzugten Wege, mit nicht mehr zeitgemäßem Gedenken umzugehen: Auch die Stadt Springe möchte ein Vertriebenendenkmal auf ihrem Alten Friedhof entsprechend aktualisieren. Es fordert indirekt, Deutschland wieder in den Grenzen von 1937 anzustreben. Doch auch dort ist bis heute nichts geschehen. Die andere Möglichkeit: Denkmäler statt im Stadtbild etwa in einem Museumsumfeld zu zeigen.
Für die SPD in Bad Münder ist das Denkmal indes nicht das einzige Thema: Man müsse sich auch mit den Kriegsgefangenen-Gräberfeldern auf dem Friedhof auseinandersetzen (womöglich ebenfalls mit Erklärtafeln) – und schließlich auch mit der gesamten Gestaltung der Veranstaltung zum Volkstrauertag. Hier schwebt der SPD eine Kooperation mit der Integrierten Gesamtschule vor. Ideen soll entwickeln: der Arbeitskreis.