Auf dem Markt "Mia Flores" in Lima war Kara Grudzus mit ihrer Gastfamilie am vergangenen Mittwochabend unterwegs, als es passierte. "Plötzlich fingen die Bäume an, sich heftig zu biegen, es kam ein seltsamer Sturmwind auf. Gleichzeitig flackerten die Straßenlaternen, der eine oder andere Marktstand fiel um", erinnert sich die Wilhelm-Busch-Gymnasiastin. "Dann merkte ich, dass ich schwankte und dachte erst, das liegt an mir, bevor mir klar wurde: der Boden zittert auf und ab." Das Ganze habe etwa 20 Sekunden gedauert.
Als danach sämtliche Lampen erloschen und es völlig finster wurde, "da habe ich schon ein bisschen Angst bekommen", gesteht die Zehntklässlerin. Vielfach panisch reagiert hätten in dieser Situation vor allem ältere Leute mit ihren Erinnerungen an frühere Katastrophen. Ihre Gastfamilie habe sich sehr besonnen verhalten. "Gut, dass wir in dieser Minute unter freiem Himmel waren, da ist man viel sicherer als im Haus", weiß Kara. Zu Fuß bewältigte sie mit ihren Gastgebern die drei Kilometer bis nach Hause. "Mit dem Auto ging es nicht, die Straßen waren an manchen Stellen aufgebrochen und durch viele Leute, die versuchten aus der Stadt zu kommen, rasch völlig blockiert." Beim Gehen in der Dunkelheit kam es darauf an, nicht in Scherben, herabgefallene Gegenstände oder gar freiliegende Stromkabel zu laufen. Zu Hause angekommen, stellte die Familie erleichtert fest, dass zwar manches umgekippt und aus den Regalen gefallen, das Gebäude aber unbeschädigt war.
In den zwei Tagen nach dem Beben habe es zunächst weder Strom noch Wasser gegeben, erzählt Kara Grudzus weiter. Die Schule sei ausgefallen. "Am Montag sollen wir aber wiederkommen." Laut Plan wird die Gymnasiastin vor ihrer Rückkehr noch drei Tage mit ihrer Gastschwester Daniela Grillo de Lombardi (16) zur Schule gehen.
So glimpflich in Lima alles abging, so drastisch stehen Kara die Fernsehbilder aus dem Epizentrum des Erbebens vor Augen. Das hat seinen Grund: Nur wenige Tage vorher war sie mit ihrer Gastfamilie in der Küstenregion um Ika Paracas unterwegs gewesen, um die landschaftliche Schönheit zu bewundern. "Wer gesehen hat, in welch' instabilen Hütten die armen Bauern dort zum großen Teil wohnen müssen, kann sich vorstellen, was für verheerende Folgen ein Erdbeben dort haben kann."