„Nachdem die Erdölfelder am Festland allmählich erschöpft sind, sucht die Ölindustrie nun immer intensiver sowohl in der Tiefsee als auch in der Arktis nach dem wertvollen Rohstoff“, stellte Greenpeace-Energiesprecher Jurrien Westerhof kürzlich fest. „Es gibt keinerlei Erfahrungen mit Bohrplattformen im Polareis, und sollte es auch dort zu einem Unfall kommen, würden die Folgen für die Natur einmal mehr katastrophal sein“, befürchtet der Umweltschützer. Austretendes Öl könne sich in den eiskalten Gewässern des Polarmeeres kaum zersetzen. Käme es wie im Golf von Mexiko zu einem Leck, bestehe unter den dicken Eisdecken im arktischen Winter so gut wie keine Möglichkeit, die Verschmutzung einzudämmen. Mehrere westliche Unternehmen verlangen inzwischen Zugang zu dem vor Grönland vermuteten Erdöl, unter ihnen die US-Konzerne Exxon und Chevron. Greenpeace appelliert, keine Lizenzen für Bohrungen in der Arktis zu vergeben.
Experten gehen davon aus, dass das Russland-Geschäft rein praktische Gründe hat. „BP bekommt Zugang zu den Vorräten – Rosneft bekommt Zugang zur Technologie“, erklärt Phil Weiss, Analyst bei der New Yorker Argus Research. Der britische Energieminister Chris Huhne nennt die Vereinbarung „bahnbrechend“. Der Deal wurde auf höchster politischer Ebene eingefädelt. Der Aufsichtsratschef von Rosneft, Igor Setschin, der auch Stellvertreter des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin ist, dankte Großbritanniens Regierungschef David Cameron für seine Unterstützung. Dudley war in Moskau bei Putin zu Gast. „Ich glaube, das ist ein historischer Moment für BP, für unsere Branche und ich glaube auch für Russland und die größere Welt der Energie“, lobte Dudley. BP-Aufsichtsratschef Carl-Henric Svanberg betonte, es gehe auch darum, den „weltweit steigenden Energiebedarf“ zu decken.
BP ist auch an dem drittgrößten russischen Ölproduzenten TNK-BP beteiligt. Dort hält das britische Unternehmen die Hälfte der Anteile. Dudley war fünf Jahre lang Chef des Gemeinschaftsunternehmens, bevor er nach einem Streit zwischen BP und den russischen Aktionären im Jahr 2008 das Land verlassen musste.
Die Unternehmen wollen gemeinsam in einem Areal nach Öl bohren, in dem Unmengen von Rohstoffen vermutet werden. Das Gebiet in der südlichen Karasee umfasst 125 000 Quadratkilometer. Dort vermuten Experten fünf Milliarden Tonnen Öl und 10 Billionen Kubikmeter Erdgas. Rosneft hatte im vergangenen Jahr das Rennen um die Ausbeutungsrechte gemacht. Beide Firmen wollen dort auch ein Technologiezentrum einrichten.
BP verstärkt auch auf der anderen Erdhalbkugel seine Aktivitäten im Meer. Der Konzern werde vor der Südküste Australiens nach Öl bohren, kündigte Energie-Minister Martin Ferguson gestern an. BP habe seine Lektion gelernt und garantiere die „höchsten Sicherheitsstandards“, versichert der Politiker. Die Erfahrungen aus dem Golf von Mexiko „werden in die Arbeit und Verfahren des Unternehmens einfließen“. BP ist eine von mehreren Firmen, die insgesamt sieben Öl- und Gasfelder vor der Süd- und Westküste Australiens erschließen sollen. Australien muss Öl und Gas importieren, um seinen Bedarf zu decken. Der Wert der Einfuhren werde in den kommenden Jahren noch steigen, sagte Energieminister Ferguson. Daher sei es „wichtig für die Energiesicherheit“ des fünften Kontinents, neue Vorkommen auszubeuten und eine „australische Öl-Provinz“ vor der Küste zu entdecken.
Die Jagd nach dem
Öl unter dem Eis Ausgerechnet BP sichert sich Bohrrechte
Wegen der Ölpest im Golf von Mexiko war der britische Energiekonzern BP heftig in die Kritik und in wirtschaftliche Turbulenzen geraten. Nun sichert er sich über eine Allianz mit dem russischen Konkurrenten Rosneft den Zugriff auf das Erdöl in der Arktis – einem besonders unwirtlichen und hochempfindlichen Naturraum.